Brasilien: Menschenmenge schützt Lula da Silva vor Festnahme
Massenorganisationen mobilisieren zum Gewerkschaftssitz, wo sich der Linkspolitiker aufhält. Anwälte bringen den Fall erneut vor die UNO
Die Staatsanwaltschaft in Brasilien hat am heutigen Freitag einen Haftbefehl gegen den ehemaligen Präsidenten (2003-2011) und derzeit aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten Luiz Inácio Lula da Silva erlassen. Der für Korruptionsermittlungen zuständige Richter Sergio Moro stellte dem 72-Jährigen am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) die Order zu, sich um 17 Uhr (Ortszeit) bei der Polizei in der Stadt Curitiba im Süden des Landes zu melden. Komme er der Anweisung nicht nach, werde er von der Polizei festgenommen, so Moro, dessen Vorgehen nach einem von Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen die Prozessordnung geprägten Prozess umstritten ist (Brasiliens Rechte urteilt sich an die Macht zurück)..
Der Oberste Gerichtshof in Brasília hatte am Mittwoch in einer international viel beachteten Marathonsitzung von gut elf Stunden grünes Licht für die Inhaftierung da Silvas gegeben. Sechs der elf Richter stimmten dafür, die Haftanweisung für den 72-jährigen Politiker zu vollstrecken. Sie wiesen damit einen Antrag der Anwälte des linksgerichteten Politikers zurück, die Haftanweisung aus der zweiten Instanz in einem sogenannten Habeas-Corpus-Verfahren bis zur Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten auszusetzen.
Am Freitagmorgen hatte sich bereits eine große Menschenmenge in São Bernardo del Campo, einem Verwaltungsbezirk im Teilstaat São Paulo, versammelt, um Lula da Silva zu schützen. Der Linkspolitiker hält sich dort im Sitz der Metallarbeitergewerkschaft auf. "Meiner Meinung nach müssen sie (die Polizisten) kommen, um ihn zu holen. Und das wird dann sein wie zur Zeit der Diktatur", sagte der Senator der Arbeiterpartei (PT) Lula da Silvas, Lindbergh Farias.
Die Mobilisierung in São Bernardo del Campo wurde von mehreren großen Sozialorganisationen unterstützt, darunter die Obdachlosenbewegung MTST, die Landlosenbewegung MST und Gewerkschaften. Dieses "Meer von Menschen", so Lindbergh, werde den Ex-Präsidenten schützen.
Die Anwälte von Lula da Silva brachten den Fall parallel zu der Mobilisierung am Freitag erneut vor den Menschenrechtsausschuss der UNO, um auf dieser Ebene eine Festnahme zu vermeiden. Die Verteidigung des Kandidaten greift damit eine Debatte auf, die auch Brasilien bewegt hatte: Mehrere Juristen – auch am Obersten Gerichtshof – hatten in der Inhaftierung Lula da Silvas vor Ausschöpfung aller Rechtsmittel einen möglichen Verstoß gegen die Menschenrechte gesehen. Auf der Gegenseite stand eine knappe Mehrheit von Richtern am Obersten Gerichtshof, die den Linkspolitiker im laufenden Wahlkampf offenbar so schnell wie möglich politisch neutralisieren wollten.