Braunkohle: Enteignung vor der Enteignung?

Der Hof von Eckhardt Heukamp in Lützerath, aufgenommen letzte Woche. Auf den Flächen im Vordergrund standen Häuser seiner Nachbarn, die RWE bereits im vergangenen Winter abgerissen hat. Bild: Wolfgang Pomrehn

Im Rheinland klagt ein Landwirt, weil sein Hof abgerissen werden soll, noch bevor das Enteignungsverfahren gegen ihn abgeschlossen ist

Am Braunkohle-Tagebau Garzweiler 2 im Rheinland ist weiter ungewiss, ob der die Region dominierende Energiekonzern RWE Anfang November mit dem Abriss der letzten Häuser in Lützerath beginnen wird. Die riesigen Bagger haben sich nordöstlich von Aachen inzwischen dicht an den Ortsrand des kleinen, zur Stadt Erkelenz gehörenden Dorfes vorgearbeitet.

Wie berichtet, hält der Landwirt Eckhardt Heukamp als einer der letzten im Dorf aus, unterstützt von einem Protestcamp von Dutzenden meist junger Klimaschützer und einer Mahnwache von Greenpeace.

Anders als viele andere Bewohner hat Heukamp es auf eine Enteignungsklage ankommen lassen, die noch nicht entschieden ist. Meist geben die Dorfbewohner dem nicht immer sanften Druck des Energiekonzerns und der Lokalpolitik nach, bevor es zur formellen Enteignung nach dem Bergrecht und unter Berufung auf Artikel 14(3) Grundgesetz (Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit) kommt.

Nicht so im Falle Eckhardt Heukamp. Der muss sich im Augenblick gegen eine sogenannte Besitzeinweisung erwehren. Diese würde RWE zum 1. November den Zugriff auf seinen denkmalgeschützen Hof sowie seine Wiesen und Felder noch vor dem Abschluss des Enteignungsverfahrens geben.

Dagegen hat Heukamp geklagt und war Anfang Oktober vom Verwaltungsgericht in Aachen abgewiesen worden. Vergangenen Woche hat Heukamp hiergegen beim Oberverwaltungsgericht in Münster Beschwerde eingelegt.

"Ich bewirtschafte diesen Hof in der vierten Generation. Es darf doch nicht sein, dass RWE mein Zuhause abreißen darf, noch bevor die Gerichte in letzter Instanz geklärt haben, ob man heutzutage überhaupt noch Menschen für den Abbau klimaschädlicher Braunkohle enteignen darf.“
Eckardt Heukamp, Landwirt in Lützerath

Das Bündnis Alle Dörfer bleiben, in dem sich Bewohner bedrohter Dörfer im Rheinland, der Lausitz sowie im Leipziger Land zusammen geschlossen haben, unterstützt Heukamp.

Der Tagebau Garzweiler 2 dürfe nicht weiter ausgeweitet werden, wenn Deutschland seinen Beitrag zur Beschränkung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau leisten wolle.

Heukamp wird von der Anwältin Roda Verheyen vertreten, die im Frühjahr an der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde zum Klimaschutzgesetz beteiligt gewesen war.

Nach dem Urteil der Karlsruher Richterinnen und Richter hatte die Regierungskoalition im Bundestag das Klimaschutzgesetz nachgebessert und die Klimaschutzziele angehoben, sie allerdings noch immer nicht mit der Pariser Klimaschutzübereinkunft kompatibel gemacht.

"Der Tagebau Garzweiler II wird nicht mehr wie von RWE vorgesehen ausgekohlt, das ist für jede und jeden offensichtlich, der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 gelesen hat. Nun bestätigt das auch das Zwischenergebnis der Sondierungsgespräche: Der Kohleausstieg in Deutschland soll möglichst schon 2030, statt – wie bisher verankert – 2038 erfolgen. Es sollte also klar sein, dass die nach den alten Regeln und letztlich auf verfassungswidriger Grundlage geplante Inanspruchnahme von Lützerath und damit des Hofs meines Mandanten nicht im öffentlichen Interesse ist. Im öffentlichen Interesse ist aber wirksamer Klimaschutz, er ist sogar nötig zum Schutz von Freiheitsrechten, so die Richter in Karlsruhe.“
Roda Verheyen, Rechtsanwältin

Die Aachener Richterinnen und Richter waren hingegen in der Urteilsbegründung der Ansicht, dass es bisher kein „zwingende(s) Gebot zum sofortigen oder gegenüber den bisherigen Planungen frühzeitigen Kohleausstieg“ gibt.

Bleibt abzuwarten, ob die nächste Instanz die genau so sieht, wann sie über die Beschwerde entscheidet und ob die Besitzeinweisung RWE zumindest bis dahin aufgeschoben wird.

Alle Dörfer bleiben kündigen schon mal weitere Proteste und für den 31. Oktober eine große Demonstration an. Mit von der Partie werden auch die Jugend-Klimaschutzbewegung Fridays for Future sowie andere Organisationen und Umweltverbände sein.