Brunsbüttel: Illegales Zwischenlager
Gericht bestätigt, dass die Sicherheit eines Lagers für hochradioaktiven Müll nicht ausreichend geprüft wurde, und erklärt Genehmigung für ungültig. Behörden halten Sicherheit für eine Geheimsache
Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hat am Mittwoch die atomrechtliche Genehmigung des Zwischenlagers am AKW Brunsbüttel aufgehoben. Dort, nordwestlich von Hamburg, am Ausgang des Nord-Ostsee-Kanals in die Elbe, werden seit 2006 abgebrannte Brennelemente aufbewahrt. Die Einrichtung von Zwischenlagern an den AKW-Standorten war seinerzeit Teil eines faulen Kompromisses der Schröder-Fischer-Regierung, mit der der Konflikt um das Zwischenlager und geplante Endlager in Gorleben entschärft werden sollte. In Brunsbüttel sollten bis zu 80 Castor-Behälter mit hochradioaktiven Atommüll gelagert werden, bis ein Endlager zur Verfügung stünde. An anderen AKWs sind im letzten Jahrzehnt ähnliche Lager entstanden.
Das Gericht bemängelte "mehrere Ermittlungs- und Bewertungsdefizite der Genehmigungsbehörde". Gemeint ist damit vor allem, dass nicht alle Gefährdungsszenarien berücksichtigt werden. Ein Anwohner hatte geklagt, weil das brisante Lager nicht gegen Anschläge wie den absichtlich herbeigeführten Absturz eines größeren Verkehrsflugzeuges oder den Einsatz neuester panzerbrechender Waffen abgesichert sei.
Die Richter folgten dem Kläger nun in den meisten Punkten und beklagten zugleich, dass "dem Gericht (...) ein wesentlicher Teil der Unterlagen der Genehmigungsbehörde unter Berufung auf Geheimhaltung nicht vorgelegt worden (war). Die Geheimhaltung war vom Bundesverwaltungsgericht im sog. in-camera-Verfahren größtenteils bestätigt worden."
Genehmigungsbehörde ist das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), dass seinerzeit dem grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin unterstand. Sein Parteifreund Robert Habeck, Umweltminister in Kiel, ließ nach dem Urteil wissen, sein Ministerium habe "keine Erkenntnisse darüber, dass die Sicherheit des Zwischenlagers beeinträchtigt ist". Auch das Gericht habe keine Sicherheitsmängel festgestellt.
Natürlich nicht, denn die entsprechenden Untersuchungen werden ja geheim gehalten. Allerdings hat das Gericht immerhin festgestellt, dass nicht alle relevanten Szenarien durchgespielt wurden.
Übrigens: Vor einem guten Jahr, als Vattenfalls recht sorgloser Umgang mit Atommüllfässern in Brunsbüttel bekannt wurde, hatte Habeck, Fraktionschef der seinerzeit noch oppositionellen Grünen, ganz anders geklungen: "Dem Betreiber Vattenfall muss endlich die Verantwortung für Brunsbüttel entzogen werden. Atomfässer sind keine Einmachgläser!"
Davon ist nun keine Rede mehr. Der grüne Minister lässt ganz staatsmännisch wissen, dass das BfS ein neues Genehmigungsverfahren einleiten werde, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Nach dem Atomgesetz dürften die abgebrannten Brennelemente des inzwischen stillgelegten AKW Brunsbüttel nicht in ein anderes Lager verschafft werden.
Es geht allerdings noch um mehr: Die Kieler Landesregierung von Grünen, SPD und SSW hatte angeboten, in Brunsbüttel etwa die Hälfte des deutschen Atommülls aufzunehmen, der demnächst aus Großbritannien und Frankreich zurück geholt werden muss. Das war Teil eines Kompromisses um die Endlagersuche. In das besonders umstrittene Zwischenlager in Gorleben sollte nichts mehr gebracht werden.
Fazit: Die langfristige Entsorgung des Atommülls, deren Regelung bereits vor 30 Jahren versprochen wurde, ist noch ein bisschen ungewisser geworden. Eigentlich gehört ein Entsorgungskonzept ja zur Voraussetzung der Betriebsgenehmigung eines AKW, doch an dessen Fehlen stört sich heute kein grüner Umweltminister mehr.