China: Mit der Eisenbahn durch den Himalaya
China und Nepal treiben gemeinsames Eisenbahnprojekt voran
Während hierzulande seit Jahrzehnten die Bahn kaputt gespart und eine Strecke nach der anderen stillgelegt wird, erlebt die Bahn in Asien und Afrika eine Renaissance. Insbesondere China legt eine neue Strecke nach der anderen an und wagt sich auch an schwierigste Projekte.
Die Verbindung nach Südasien, das durch das Himalayagebirge von Ostasien abgeschnitten ist, stellt so einen komplizierten Fall da. China und Nepal haben sich im vergangenen Jahr auf den Bau einer Eisenbahn von Kathmandu auf das tibetische Hochplateau geeinigt.
Nun haben diese Pläne eine erste Hürde genommen, wie der Business Standard berichtet. Demnach einigten sch die Regierungen der beiden auf die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie für das besonders anspruchsvolle nepalesische Teilstück.
China gibt der Regierung in Kathmandu für die Untersuchung einen Kredit in Höhe von umgerechnet 18 Millionen US-Dollar. In eineinhalb Jahren soll die Studie abgeschlossen sein. Als Bauzeit, die dann beginnen könnte, wird bisher sieben Jahre veranschlagt.
Die Kosten für die 72 Kilometer zwischen der Landeshauptstadt und der Grenze im Norden werden auf 2,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bei einer jährlichen Wirtschaftsleitung von 24,5 Milliarden US-Dollar (2017) keine kleine Summe. Voraussichtlich wird es für den Bau chinesische Kredite geben, sodass für Nepal alles auf möglichst gute Konditionen – niedrige Zinsen, lange Laufzeit etc. – ankommen wird, um nicht in der Schuldenfalle zu landen.
Schwieriges Terrain
Der geplante Anschluss an das chinesische Eisenbahnnetz – China hat 2014 eine Bahnlinie bis nach Xigaze am Fuß des Himalayas gebaut – würde durch das höchste und geologisch aktivste Gebirge des Planeten führen. Auf der nepalesischen Seite kreuzt die geplante Trasse gleich mehrere Verwerfungen, an denen sich Teile der Erdkruste gegeneinander verschieben. Über 90 Prozent dieser Strecke durchs Hochgebirge soll durch Tunnel oder über Brücken führen.
Ein zusätzliches Problem wird die zu überwindende Steigung sein. Kathmandu liegt durchschnittlich 1400 Meter über dem Meeresspiegel, Xigaze jedoch 3800 Meter. Mag sein, dass daher auf nepalesischer Seite auch eine unterirdische sogenannte Kehrspirale angelegt werden muss. Dabei handelt es sich um einen Eisenbahntunnel, der sich im Berg in der Form einer Spirale hochschraubt.
In China hat man mit derlei bereits Erfahrungen gesammelt. Ohnehin hat sich das Land in den letzten zwei Jahrzehnten durch den massiven Ausbau seines Eisen- und Schnellbahnnetzes zur weltweiten Nummer Eins auf diesem Gebiet gemausert. Kein anderes Land kann Tunnel und Brücken so schnell und so günstig bauen.
Dennoch stellt die neue Verbindung sicherlich eine enorme Herausforderung dar. An einer ähnlich anspruchsvollen Strecke wird in der Volksrepublik bereits zwischen den Städten Chengdu und Lhasa gebaut, wie seinerzeit berichtet. Letzteres ist die Hauptstadt der autonomen Provinz Tibet und liegt auf dem gleichnamigen Hochplateau. Zwischen den beiden Städten liegt ein hohes Gebirge, in dem ebenfalls die Erde des öfteren bebt.
Künftige Züge aus Nepal würden über Lhasa fahren und hätten dort – sobald die Strecke nach Chengdu fertiggestellt ist – die Möglichkeit, den direkten Weg in Chinas Südosten und zu den dortigen Häfen zu nehmen, ohne den Umweg über Chinas Westen machen zu müssen.
Mehr Unabhängigket von Indien
Doch das Wesentliche für die nepalesische Seite ist, sich aus der einseitigen Abhängigkeit von Indien zu lösen. Dieses war es lange gewohnt, seine Nachbarn Nepal und Bhutan wie bestenfalls halb-souveräne Satelliten zu behandeln und sich nach Belieben in deren Innen- und Außenpolitik einzumischen. Doch in Kathmandu lässt man sich das nach dem Sturz der Monarchie und dem Ende des Bürgerkriegs nicht mehr bieten.
Indien versuchte zuletzt 2015 Nepal mit einer Grenzblockade in die Knie zu zwingen. Unter anderem passte der in Delhi regierenden hindu-nationalistischen religiösen Rechten nicht, dass Nepal die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankerte. Allerdings trug die Blockade eher zur Stärkung des nepalesischen Unabhängigkeitswunsches und Kathmandus Annäherung an Beijing bei.
Die Volksrepublik hatte nicht gezögert, die Versorgungslücke in dem zwischen Indien und China eingeklemmten Binnenstaat zu schließen. Doch die Bergpässe ins tibetische China sind hoch und schmal, die Kapazitäten begrenzt und die Transporte aufwendig und teuer. Erst die neue Eisenbahn würde Nepal wirklich in die Lage versetzen, für seinen Außenhandel zwischen dem indischen und dem chinesischen Landweg wählen zu können.
Außerdem könnten über die neue Verbindung auch erstmals Eisenbahnzüge direkt von China nach Indien rollen, sieht man einmal davon ab, dass Indien eine größere* Spurweite verwendet. (Nepal stellt gerade auf die in China und auch in Westeuropa verwendete Norm um.) An der Grenze müsste daher umgeladen oder das Fahrgestell gewechselt werden.
Auf jeden Fall könnte die Himalayabahn auch dem Warenaustausch zwischen den beiden asiatischen Giganten dienen, wovon Nepal als Transitland zusätzlich profitieren könnte. Doch in Indien hat davor vermutlich mancher eher Angst, denn das Land hat der Volksrepublik bisher nicht genug zu bieten. Die indisch-chinesische Handelsbilanz ist chronisch negativ.
* Kerrektur: Hier hatte zunächst gestanden, dass in Indien eine schmalere Spurweite verwendet werde. Das Gegenteil ist der Fall, wie ein Leser zu recht anmerkte.