"Das ist eine Gleichschaltung und kein Geschäft"

Verschiebungen im polnischen Medienmarkt

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Als am Donnerstagabend die Redakteure der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita ihre Ausgabe in den Druck schickten, hatten auch sie sich auf ein Thema konzentriert, das die polnischen Medien am Freitagmorgen dominierte: die polnische EU-Ratspräsidentschaft. "Polen führt die Union an", titelten deshalb die Rzeczpospolita-Journalisten und dürften dabei davon ausgegangen sein, auch am nächsten Tag dieses Thema zu ihrem Schwerpunkt zu machen.

Doch es kam anders, zumindest für die Tageszeitung Rzeczpospolita und ihre Journalisten, die dann neben der Ratspräsidentschaft selbst zum Hauptthema der polnischen Medien wurden. Denn sowohl für die Mitarbeiter der viertgrößten Tageszeitung des Landes als auch für die Kenner der polnischen Medienlandschaft übernahm überraschend die Gremi Media des polnischen Investors Grzegorz Hajdarowicz von dem britischen Medienunternehmen Mecom 51 Prozent an Presspublika. Die restlichen 49 Prozent des Verlages befinden sich im Besitz des polnischen Staates.

Mit den ca. 20 Millionen Euro, die Hajdarowicz an die von David Montgomery gegründete Mecom Group, die sich in Deutschland zwischen 2005 und 2009 erfolglos an dem Berliner Verlag und der Hamburger Morgenpost versuchte, überweisen muss, steigt er zu einem der wichtigsten polnischen Zeitungsverleger auf. Denn Presspublika verlegt nicht nur die Rzeczpospolita, sondern auch die Wirtschaftszeitung Parkiet, die Warschauer Tageszeitung Zycie Warszawy und das seit Februar dieses Jahres erscheinende politische Magazin Uwazam Rze, das innerhalb kürzester Zeit zur viertgrößten Wochenzeitschrift des Landes aufstieg und dabei bisher so einflussreiche Magazine wie Wprost und Newsweek Polska hinter sich ließ. Hinzu kommen noch mehrere Internetportale.

Diese Vielfalt war es auch, die Hajdarowicz, der bisher die eher kleine Wochenzeitschrift Przekroj und das Monatsmagazin Sukces herausbrachte, zum Kauf von Presspublika bewegte. Dies offenbarte er in einem Interview, das er dem Onlineportal der Rzeczpospolita gab. Er kündigte an, auch die 49 Prozent, die der polnische Staat an Presspublika hält, erwerben zu wollen, jedoch nicht um jeden Preis. Und auch über die Zukunft des Unternehmens äußerte er sich. Da nach Meinung Hajdarowicz' die Zukunft der Medien eng verbunden mit den Tablet-Computern ist, soll sich das Unternehmen mehr auf die neuen Technologien konzentrieren. "Ich bleibe bei meiner Prognose, auch wenn manche sie für unzutreffend halten. Bis 2015 wird es in Polen 12 Millionen Tablet-Computer geben."

Viel interessanter als die wirtschaftlichen dürften jedoch die politischen Auswirkungen dieser Übernahme werden. "Mecom verkaufte die letzte landesweit erscheinende regierungskritische Tageszeitung", titelte das nationalkonservative Internetportal Wpolityce.pl und machte aus Hajdarowicz einen linken, regierungsfreundlichen Verleger. Dies ist zwar übertrieben, da aus Sicht polnischer Konservativer jeder quasi ein Bolschewik ist, der sich selbst als liberal versteht, und auch nicht ohne Eigeninteresse der Rzeczpospolita-Redaktion, deren Autoren zu den Initiatoren von Wpolityce.pl gehören. Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass der Großteil der an der Weichsel erscheinenden Blätter neoliberal ausgerichtet ist. Eine Dominanz in der Medienlandschaft, die die konservative Presse vor allem seit dem Flugzeugunglück von Smolensk eine wirtschaftliche Renaissance erleben ließ.

Konservative fürchten um Einfluss

Und allein schon aus diesen wirtschaftlichen Gründen will Hajdarowicz nichts an der bisherigen politischen Ausrichtung der Presspublika-Erzeugnisse ändern, auch wenn er kein Geheimnis daraus macht, dass er politisch anders denkt. Die Konservativen konnte er damit dennoch nicht beruhigen. In konservativen Blogs und Onlineportalen dient der Verkauf des Presspublika-Verlages weiterhin als Beweis für die allmähliche Gleichschaltung der polnischen Presse, die jetzt wenige Monate vor den Parlamentswahlen von der Regierung angetrieben wird. Und auch Rzeczpospolita-Journalisten _jestem_mocno_zaniepokojony_nagla_zmiana_wlasciciela_rzeczpospolitej_14080: mischen bei diesen Spekulationen kräftig mit.

Schwer getroffen hat die Übernahme von Presspublika aber die Partei Recht und Gerechtigkeit ( PiS). Zwar sympathisieren auch die Tageszeitung Nasz Dziennik aus dem Hause Radio Maryja und die Wochenzeitung [http://www.gazetapolska.pl Gazeta Polska mit der nationalkonservativen Partei von Jaroslaw Kaczynski, doch ihre Radikalität schreckte viele konservative Polen ab. Was dazu führte, dass die Rzeczpospolita und Uwazam Rze für die PiS zu wichtigen Medien wurden. Aus Furcht, diese nun verloren zu haben, forciert die Partei ihre Pläne, zumindest für den anstehenden Wahlkampf eine eigene Zeitung herauszubringen, wie die liberale Gazeta Wyborcza berichtet.

Die Übernahme der Rzeczpospolita war die zweite schlagzeilenträchtige Transaktion auf dem polnischen Medienmarkt in dieser Woche. Für 4.5 Milliarden Euro kaufte Zygmunt Solorz-Zak, Besitzer der Privatsenders Polsat, Polens zweitgrößtes Mobilfunkunternehmen Polkomtel. Und freuen kann sich auch die Verlagsgruppe Passau. Im Schatten dieser zwei spektakulären Übernahmen vermeldete ihre polnische Tochter Polskapresse den Kauf des in Südpolen erscheinenden Dziennik Polski. Damit baut das deutsche Unternehmen, das sich vor allem auf die Regionalpresse konzentriert, seine eh schon starke Position auf dem polnischen Markt aus.