Der nächste Ölpreis-Schock
Der Ölpreis ist zu Beginn der Woche erneut ins Rutschen geraten und ein Ende ist nicht in Sicht. Was führt Saudi-Arabien im Schilde?
Der Ölpreis ist weiter auf dem Weg nach unten. Am Dienstag kostete in den USA die dortige Standardsorte WTI nur noch 76 US-Dollar pro Fass (Barrel), wie die New York Times berichtet. Auch beim europäischen Standard Brent gab es seit Beginn der Woche einen kräftigen Preisverfall von mehreren US-Dollar pro Fass. Mittwochmittag wurde es für etwas über 82 US-Dollar pro Fass gehandelt, wie aus Informationen der Financial Times hervor geht.
Damit scheint die kurze Verschnaufpause von etwas über zwei Wochen vorbei, die der Ölpreis eingelegt hatte. Wie seinerzeit berichtet, sinkt der Preis für den Schmierstoff der Weltwirtschaft seit dem Sommer – mehr oder weniger parallel zu den Kursen anderer zentraler Rohstoffe – von einem Niveau, dass er für etwa vier Jahre gehalten hatte. Der Preisverfall hatte sich Ende September zu einem kleinen Preissturz beschleunigt, der Mitte Oktober einen Halt fand, einen nur vorläufigen, wie sich jetzt zeigt. Brent hat sich, in US-Dollar gerechnet, seit dem Sommer um etwa 30 Prozent verbilligt.
Angriff auf US-Schieferöl?
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatte am Montag Saudi Arabien angekündigt, es wolle den Preis weiter senken und zwar gezielt für US-Kunden. Das hat offensichtlich zu der oben beschriebenen Entwicklung geführt und bestätigt die Anwürfe aus dem Iran gegen den verhassten Nachbarn, die diesen schon vor zwei Wochen für den Preisverfall verantwortlich gemacht hatten. Irans Staatshaushalt gerät durch den Rückgang der Einnahmen erheblich unter Druck. Auch andere Förderländer geraten in Schwierigkeiten wie etwa Russland, dem bereits eine Rezession vorausgesagt wird.
Wie andere zuvor fragt auch der Bericht in der Süddeutschen, ob Saudi Arabien mit dem Manöver die US-Ölindustrie treffen will, die durch die Ausbeutung von Schieferöl mit Fracking-Methoden in den letzten Jahren einen neuen Boom erlebt. Es gebe offenbar einen Kampf um Marktanteile, werden Beobachter zitiert.
Tom Randall von der Nachrichtenagentur Bloomberg hatte allerdings Mitte Oktober argumentiert, dass US-Schieferöl im Schnitt für 70 US-Dollar pro Barrel produziert werden kann. Demnach müsste Saudi Arabien den Ölpreis noch ein ganzes Stückchen weiter drücken und dann auch längere Zeit dort halten, bevor die ersten US-Produzenten ernsthafte Probleme bekämen. Einige der besonders wichtigen US-Schieferöl-Felder können laut Randall sogar noch bei 50 US-Dollar pro Fass profitable fördern.
Hat Saudi-Arabien vielleicht etwas ganz anderes im Sinn, eventuell in stiller Übereinkunft mit seinem Patron in Washington? Die türkische Zeitung Daily Sabah zitiert Rashid Abanmy, den Präsidenten des saudiarabischen Zentrums für Ölpolitik und Strategische Erwartungen. Demnach gehe es darum, den Iran und Russland unter Druck zu setzen. Iran solle sein Atomprogramm begrenzen und Russland eine andere Haltung im Syrienkonflikt einnehmen, in dem es bisher zur syrischen Regierung steht und die westliche Unterstützung verschiedener aufständischer Gruppen verurteilt. Sein Land sei für den Preisverfall der letzten Monate verantwortlich und wolle das Öl noch billiger verkaufen.
Das sieht offensichtlich auch Rosneft-Vize-Chef Michail Leontjew so, der von der Zeitung ebenfalls zitiert wird: "Saud-Arabien hat angefangen, großen Preisnachlass zu geben. Das ist politische Manipulation. Saudi-Arabien wird manipuliert, und das kann böse enden." Nach Angaben von Daily Sabah liegt dem russischen Haushalt für 2015 ein Ölpreis von 100 US-Dollar pro Fass zugrunde. Und trotz dieser Einnahmen würden auch dann noch 34,2 Milliarden US-Dollar Schulden aufgenommen werden müssen, sieben Milliarden davon im Ausland.
Vorteil für die Weltwirtschaft
Der oben erwähnte Tom Randall sah hingegen den Preisverfall - zumindest bis Mitte Oktober - vor allem als eine Folge eines Überangebots, dass durch gestiegene Produktion verursacht wird. Heute würden täglich rund drei Millionen Barrel Öl mehr gefördert als noch 2011. Die Nachfrage sei hingegen nicht zurück gegangen, sondern ebenfalls gestiegen und zwar um vier Prozent seit 2011.
Letzteres würde darauf hindeuten, dass es der Weltwirtschaft vielleicht doch nicht so schlecht geht, wie manche nach den Krisenmeldungen der letzten Wochen meinen. Vor allem wird sich mit einiger Sicherheit der fallende Ölpreis wie ein kräftiges Konjunkturpaket auswirken, denn er wird in den Importländern, also unter anderem in der Eurozone, in Japan, Südostasien und in China die Kosten senken und letztlich auch die Exporte verbilligen. Für Euroland fällt allerdings der Vorteil kleiner aus, weil der Euro parallel zum Öl gegenüber dem US-Dollar an Wert verloren hat. In Euro gerechnet hat sich die Sorte Brent nicht um 30 sondern nur um etwa 23 Prozent verbilligt.
Für die Umwelt hat der sinkende Ölpreis derweil Vor- und Nachteile. Zum einen regt billiges Öl den Verbrauch an, was zu (noch) mehr Treibhausgasemissionen führt. Zum anderen werden ökologisch besonders bedenkliche Unternehmen unrentabel. 25 Prozent des kanadischen Teersandes seien schon jetzt nicht mehr gewinnbringend, schrieb Randall Mitte Oktober. Und der britisch-niederländische Ölkonzern Shell hat bereits angekündigt Investitionen zurückfahren zu wollen. Besonders die kostspieligeren Unternehmen in der Tiefsee und im arktischen Meer, die auch für die Umwelt besonders bedenklich sind, werden in den nächsten Monaten vermutlich unter Druck geraten.
Tja, und je nach dem, wie lange das derzeitige Preistief anhält, können sich die ausbleibenden Investitionen in neue Felder und Verbesserung der Ausbeutung älterer Projekte in wenigen Jahren als erneuter Engpass bemerkbar machen, der die Preise dann um so höher treibt. Der nächste Ölpreis-Schock scheint also gewiss.