Der umstrittenste Spanier ist gestorben
Manuel Fraga Iribarne war Gründer der regierenden Volkspartei und Minister während der Diktatur
Manuel Fraga Iribarne war die graue Eminenz der Konservativen Spaniens. Er ist in der Nacht auf den Montag nach Angaben seiner Familie im Alter von 89 Jahren in Madrid an Herzversagen gestorben. Damit ist der umstrittenste Politiker des Landes tot, der bis kurz vor dem Wahlsieg der Volkspartei (PP) am vergangenen 20. November noch die Strippen zog. Er war Mentor von Mariano Rajoy, der auch aus Galicien im Nordwesten des Landes stammt, und nun neuer Regierungschef Spaniens ist.
Fraga sorgte dafür, dass sich die Franquisten nach dem Tod des Diktators Francisco Franco am 20. November 1975 wieder reorganisiert haben. Er war von 1962 bis 1969 Informations- und Tourismusminister. In der Übergangsregierung unter König Juan Carlos, den Franco zum Nachfolger bestimmt hatte, wurde Fraga unter dem Regierungschef Carlos Arias Navarro Innenminister, der auch Francos letzter Regierungschef war.
Fraga war auch im Übergang für das harte Durchgreifen gegen die Demokratiebewegung verantwortlich. Menschen, die für eine Amnestie der politischen Gefangenen demonstrierten, wurden genauso erschossen wie streikende Arbeiter. "Die Straße gehört mir", lautete sein Motto. Vielen klingt noch schmerzlich sein Befehl vom 3. März 1976 in den Ohren. "Es muss euch egal sein, ob ihr tötet", wies er seine Sicherheitskräfte zum Sturm auf eine Kirche im baskischen Vitoria an, in der streikende Arbeiter versammelt waren. Fünf Arbeiter wurden getötet und mehr als 100 verletzt.
In dem Jahr gründete er die Volksallianz (AP). 12 von 19 Kabinettsmitgliedern der letzten Franco-Regierung wurden Mitglieder. Aus seiner Gesinnung hat Fraga nie einen Hehl gemacht. "Der glorreiche Volksaufstand am 18. Juli 1936 war eine der sympathischsten politisch-sozialen Bewegungen weltweit." Als Aufstand bezeichnet die Ultrarechte den Putsch der Generäle gegen die gewählte republikanische Regierung zur eigenen Legitimation für den dreijährigen Bürgerkrieg, den Franco mit Hilfe des faschistischen Deutschlands und Italiens gewann. Der Versuch einer "illegalen und korrupten Regierung" wurde unterbunden, die "verhängnisvollste rote Revolution von der Regierung aus vorzubereiten", sagte Fraga. Verwunderlich ist nicht, dass auch die PP, die 1989 aus der AP hervorging, sich nie vom Putsch oder der Diktatur distanziert hat.
Die PP hat in Tod Fragas bedauert. Sie spricht vom "Verlust einer vorbildlichen Person, die stets mit vollster Überzeugung für ihre Ideale gekämpft hat und stets seine Liebe zu Spanien und Galicien bewies". Sie nennt ihn einen "Vater der Verfassung", der eine "herausragende Rolle im demokratischen Übergang" gespielt habe. Das "Talent" und seine Fähigkeit sich an neue Situationen anzupassen, bescheinigt aber auch Santiago Carrillo seinem Ex-Feind. Zwar standen sie sich im Bürgerkrieg und in den Jahrzehnten der Diktatur unversöhnlich gegenüber. Doch auch der Ex-Generalsekretär der Kommunistischen (PCE) schreibt Fraga eine positive Rolle im Übergang zu. Er nennt ihn aber eine "sehr rechte und autoritäre Person", die sehr "widersprüchlich" war.
Fraga habe sich, wie Carillo meint, auch mit Ultras konfrontiert. Er macht aber mit Aznar einen Falangisten und einstigem Demokratiegegner zum Nachfolger als Parteichef und so konnte die PP 20 Jahre nach ihrer Gründung die Regierung übernehmen. 2000 gewann Aznar sogar die absolute Mehrheit im Land. Dieser Erfolg glückte auch Rajoy im dritten Anlauf. Fraga hatte ihn 1990 nach Madrid geschickt, um Aznar vor Ort zu überwachen, denn er zog sich in seine Heimatregion zurück und wurde Präsident der Regionalregierung.
Die PP ist weiter die stärkste organisierte Kraft im Land. Ob sie regiert oder nicht, ist oft egal. Das haben die beiden Perioden gezeigt, in denen die Sozialisten (PSOE) von 1982 bis 1996 und von 2004 bis 2011 regiert haben. Sie hat es mit der katholischen Kirche stets verstanden, in zentrale Fragen die PSOE vor sich her zu treiben. Das gilt für die Wirtschaftspolitik, die Frage der Atomkraft und vor allem für die Aufarbeitung der Diktatur.
Während in Argentinien die Verantwortlichen der Diktatur zur Verantwortung gezogen werden, gilt in Spanien weiter die Amnestie, die sie sich im Übergang gegönnt haben. Nicht einmal ihre Opfer wurden rehabilitiert. Es sind zehntausende Republikaner, Gewerkschaftler, Kommunisten, Anarchisten, baskische und katalanische Nationalisten sowie Homosexuelle, die aus ihren Häusern geholt und oft am Stadtrand erschossen wurden, wie das mit dem bekannten Dichter Federico García Lorca geschehen ist.
Sie liegen auch heute meist noch in den Massengräbern, die Angehörigen warten weiter auf deren Öffnung und die Identifizierung der Ermordeten. Die PP konnte das stets verhindern, obwohl bisher mit José Luis Rodriguez Zapatero ein Sozialist regierte, dessen Großvater ermordet und in einem Massengrab verscharrt wurde. Aussagekräftig ist, dass nun am 24. Januar mit Baltasar Garzón ein suspendierter Ermittlungsrichter auf der Anklagebank Platz nimmt, der 2008 versuchte, die Geschichte juristisch aufzuarbeiten. Er hatte auch angeordnet, Massengräber zu öffnen.