"Deutschland ruiniert seine Nachbarn"
Wirtschaftsnobelpreisträger Krugman greift Deutschland wegen der Exportüberschüsse scharf an, das großen Anteil an der "Pein" der Krisenländer habe
Die deutsche "Unbeweglichkeit" ist für Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman ein zentrales Problem für Europa und die Weltwirtschaft. "Deutschland ruiniert seine Nachbarn und die Welt", urteilt er seinem Blog in der New York Times.
Der Ökonom ist für klare Worte bekannt. Die Sparpolitik in der Krise, die aus Deutschland diktiert wird, hat er schon als "verrückt" und "große Dummheit" bezeichnet. Nun wirft er diesen "Depressing Germans" wegen andauernd hoher Exportüberschüsse vor, für "deflationäre Tendenzen genauso in der Euro-Zone wie der Weltwirtschaft" verantwortlich zu sein.
Er vergleicht die Lage mit der Situation eines unterbewerteten Francs in Frankreich in der Zeit der Großen Depression der 1930er Jahre, die zentral für die damalige gefährliche Deflation verantwortlich gemacht wird. Deutschland habe heute eine ähnliche Verantwortung, auch wenn sie weniger bedeutsam sei, sei sie doch unentschuldbar. Tatsächlich zeigte Eurostat deflationäre Tendenzen auf. Im großen Krisenland Spanien, das für Krugman als Beispiel dient, sind die Preise im Oktober im Jahresvergleich tatsächlich gesunken.
Krugman bezieht sich mit seiner Schelte der Merkel-Politik auf den Halbjahresbericht des US-Finanzministeriums. In seinem Bericht stellte US Finanzminister Jacob Lew fest, dass Deutschland 2012 sogar China beim Handelsüberschuss verdrängt habe und machte statt der Volksrepublik nun vor allem Deutschland für die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft verantwortlich. In der gesamten Schulden- und Finanzkrise habe Deutschland stets mehr exportiert als importiert. Gefordert wurde deshalb erneut, dass Deutschland das heimische Wachstum stärken und seine Exportabhängigkeit verringern müsse.
"Simple Arithmetik"
Denn die Weigerung der Deutschen, mehr zu importieren, um den Exportüberschuss abzubauen, wirkten "niederdrückend" auf die Weltwirtschaft. "Es ist simple Arithmetik: Seit südeuropäische Länder gezwungen werden, ihre Defizite abzubauen, während Deutschland gleichzeitig seine Überschüsse nicht abbaut, hat Europa als Ganzes einen großen Handelsbilanzüberschuss, der dazu beiträgt, dass die Weltwirtschaft stagniert." Dass diese Kritik aus Berlin zurückgewiesen wird, hält er für "bizarr". Dort gäbe es eine "bedauerlich Tendenz, auf jede Kritik an seiner Wirtschaftspolitik dadurch zu reagieren, sich als Opfer darzustellen".
Während Deutschland gerne fehlende Reformen in Krisenländern anführt, gibt Krugman die Kritik direkt an Berlin zurück. Deutschland hat keinerlei Anpassung vorgenommen. "Während die Haushaltsdefizite in Spanien, Griechenland und anderswo gesunken sind, änderte sich an deutschen Überschüssen nichts." Die Leistungsbilanzdefizite würden einseitig nur zu Lasten der schwachen Länder abgebaut, was zu schrumpfenden Wirtschaften und hoher Arbeitslosigkeit führe.
Es fehlt das makroökonomische Verständnis
In Spanien sei die Arbeitslosigkeit auf 27% und die Jugendarbeitslosigkeit schon auf 57% gestiegen. "Deutschlands Unbeweglichkeit hat entscheidend zur spanischen Pein beigetragen", schreibt er. Und die wird stärker. Nach der leichten Erholung im Tourismussommer ist nach dem September auch Im Oktober die Arbeitslosigkeit erneut gestiegen. Trotz einer starken Auswanderung wurden neue 87.000 Arbeitslose registriert.
Doch auch in den USA führten die deutschen Exportüberschüsse zur Zerstörung von Jobs. Noch immer sei auch nach sechs Krisenjahren nicht verstanden worden, dass die Sparpolitik in die Sackgasse führe. Auf Einsicht in Berlin hofft Krugman nicht. Dafür fehle dort schlicht das makroökonomische Verständnis. Offenbar herrsche die Vorstellung, alle müssten das deutsche Modell kopieren. Dabei werde der simple Fakt schlicht nicht wahrgenommen, dass nicht alle "gigantische Handelsüberschüsse erzielen können".