Die Asse stürzt weiter ein
Eine Überraschung mehr aus dem "Versuchslager" für Atommüll, in das auch Giftmüll und Tierkadaver eingelagert wurden.
Das absaufende niedersächsische "Versuchsendlager" für schwach- und mittelaktiven Atommüll Asse II stürzt, wie erwartet, ein. So teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) nun mit, Atommüllfässer kämen erneut durch eine einstürzende Kammer in Gefahr. Eine wirkliche Überraschung ist aus einem angeblichen "Versuchslager" nicht, dass ein schlechtes Beispiel für das Endlager in Gorleben ist und schon als Supergau in der Endlagerfrage bezeichnet wird.
Das Drama unter der Erde im Salzstock Asse II nimmt seinen befürchteten Lauf. Ständig jagen Hiobsbotschaften über die Asse durch die Medien. Zuletzt war es die Tatsache, dass auch Giftmüll, darunter hochtoxisches Arsen, in den Laugentümpeln des absaufenden Bergwerks schwimmen. Bekannt ist auch, dass wohl auch die Bundeswehr dort strahlenden Müll illegal entsorgt hat. Nun gab es eine erneute Bestätigung dafür, dass das Bergwerk einzubrechen droht.
Das BfS teilte am Mittwoch mit, dass sich Deckenteile über der Einlagerungskammer 7 ablösen. In einer Mitteilung der Behörde heißt es, im Rahmen einer Befahrung des Endlagers Asse II habe das BfS am 27.04.2009 festgestellt, dass in der "Einlagerungskammer 7 auf der 725-m-Sohle an der Decke unmittelbar über einigen eingelagerten Fässern mehrere schalige Ablösungen erkennbar sind". Es handele sich um eine noch offene Einlagerungskammer, in der Fässer lägen, die nur teilweise in Salzgrus eingebettet sind. Ausdrücklich heißt es: "Mit dem Fall eines größeren Gesteinsbrockens von der Decke (Löserfall) auf die offen liegenden Fässer muss gerechnet werden. Er könnte zu einer Beschädigung der eingelagerten Fässer und zur Aufwirbelung von Salzstaub und radioaktiven Partikeln führen. Da die Kammer 7 nicht verschlossen ist, könnten möglicherweise freigesetzte Schadstoffe in die Grubenluft und in andere Bereiche des Grubengebäudes gelangen", warnt die Behörde.
"Ein Einsturz der gesamten Decke droht aber nicht", sagte BfS-Sprecher Florian Emrich gegenüber der Nachrichtenagentur ddp. Nun wolle man aber einschreiten und die dort etwa 8500 Fässer mit angeblich nur schwach radioaktiven Abfällen unverzüglich mit Salzgrus überdecken, um sie zu schützen. Auch die Ablösung wolle man entfernen. Die "Zustimmung zu dieser Gefahrenabwehrmaßnahme durch die atomrechtliche Endlagerüberwachung" läge, nur zwei Tage nach der angeblichen Feststellung, bereits vor. Eine Gefährdung in der Umgebung bestehe natürlich nicht, lässt das BfS wieder einmal verlauten. Kontinuierlich würden beweissichernde Messungen durchgeführt, mit denen die Grubenluft auf Radioaktivität überwacht wird. Bereits zu Beginn des Jahres musste eingeräumt werden, dass auch die Kammer 4, in der etwa 6000 Atommüllfässer liegen sollen, am Einstürzen ist.
Der Asse-II-Koordinationskreis ist auch verwundert über die schnelle Genehmigung und geht deshalb davon aus, dass die Gefahren längst bekannt waren. Dem BfS wird deshalb vorgeworfen, "bewusst die Information über die Gefahr zurückgehalten" zu haben, "bis sie eine Lösung für das Problem ausgearbeitet hatten und diese genehmigt bekamen". Doch das Problem werde erneut von der falschen Seite angegangen wurde. Denn Löserfälle seien in Salzbergwerken normale Ereignisse, wenn die Decke nicht gewartet wird. Gefordert wird die Rückholung des Mülls, denn dann wäre ein Löserfall bedeutungslos. "Und dabei würden keine Tatsachen geschaffen werden, die einem späteren Ergebnis eines Optionenvergleichs entgegenstünde." Gefragt wird auch, warum die "Pflege" nicht korrekt durchgeführt wurde. Da das BfS schon zum Jahresbeginn vor diesem Problem stand, hätten "entsprechende Sicherungsprogramme" längst gestartet werden müssen. Die Gegner verweisen auch auf den Fall Morsleben, wo das BfS keine Genehmigung für das Verfüllen einer Kammer mit Salzgrus erhalten habe, weil es alternativen Konzepten für die Schließung von Morsleben entgegenstehen könnte. Doch nun sollen diese Arbeiten in der Kammer 7 in aller Eile schon in der nächsten Woche abgeschlossen sein.
Angesichts der ständigen Überraschungen aus dem Lager müssen alle Angaben - auch über den Inhalt der Fässer -, die nun von der einstürzenden Decke in Gefahr geraten, mit Vorsicht genossen werden. Schließlich wertet das Bundesamt gerade erst die Inventarlisten aus, weshalb immer wieder neue Besonderheiten ans Licht kommen. So wurde inzwischen sogar festgestellt, dass auch Tierkadaver im "Lager für Allerlei" versenkt wurden. Zu hoffen ist, dass nun ein Untersuchungsausschuss etwas Licht in die dunklen Vorgänge in der Asse bringt, solange es vom Helmholtz Zentrum in München unter dem Bergrecht betrieben wurde.
Nun haben die Sozialdemokraten (SPD) im niedersächsischen Landtag ihr Veto gegen einen Untersuchungsausschuss aufgegeben. Deshalb kommt nach dem Ja der SPD vor den Bundestagswahlen nun das notwendige Fünftel an Landtagsabgeordneten zustande, um den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Allerdings wird dies wohl erst im Juni geschehen. Vor dem Ausschuss muss möglicherweise auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als ehemalige Bundesumweltministerin aussagen.
Die Asse-Kritiker begrüßen die Entscheidung von SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner, seiner Fraktion die Zustimmung für einen Ausschuss im Landtag zu geben. Der Sprecher des Asse-II-Koordinationskreises, Udo Dettmann, forderte nun alle Parteien auf, jetzt "zielgerichtet" darauf hinzuwirken, dass die Pannen im Lager Asse aufgearbeitet werden könnten. Geklärt werden müsse vor allem auch, welcher Müll eingelagert wurde und wer dafür verantwortlich war.