Die Inflation der Anderen

Hurra, die Inflation sinkt. Aber um welchen Preis? Und vor allem: Wer bezahlt den Preis?

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Das Statistische Bundesamt rechnet uns aktuell vor, dass die gefürchtete Inflation 2012 noch niedriger gewesen wäre als 2011, nämlich bei 2,0 statt zuvor 2,3 Prozent

Glücklicherweise nimmt das Bundesamt seinen Verfassungsauftrag wenigstens einigermaßen ernst und veröffentlicht auch die gemittelte Preisentwicklung bei unterschiedlichen Produktgruppen. Aufgefächert ergibt sich nämlich ein ganz anderes Bild: Gegenüber Dezember 2011 deutlich teurer geworden sind Gemüse (+ 12%), Obst (+ 9,8 %), Heizung (+ 6,8 %), etwas teurer geworden sind etwa (Textilien (+ 5,0%), Fleischwaren (+ 5,6%), Brot (+ 3,3%), Strom (+ 3,2 %) oder Benzin (+ 3,2%). Unterdurchschnittlich teurer wurden Mieten (+ 1,1 %), Möbel (+ 0,7%), Friseurbesuche (+ 1,7%) oder Bier (+ 1,3%).

Aber was wurde dann wirklich billiger? Autos (- 0,3%), Telefon (-1,6 %, Haushaltsgroßgeräte (- 1,4 %). Noch billiger wurden Computer (- 3,5%), Mulitmediageräte (- 4,2%), Schiffsreisen (- 6,3%), Hochschulbildung (- 13, 9%, in mehreren Bundesländern wurden 2012 Studiengebühren abgeschafft) und ganz deutlich Finanzdienstleistungen (- 27,4%, ohne Versicherungen).

Das bedeutet: Teurer geworden sind Dinge des täglichen Bedarfs (Brot, Strom, Heizung), fast stabil bleiben Wohnen und Unterhaltung, billiger werden Elektronik, Autos, Finanzprodukte. Ist da ein einzelner Preisindex mit einer pauschalen Inflationsrate von nominal 2,0 Prozent noch zeitgemäß? Und muss man aus der Verteilung der Preisentwicklung in den unterschiedlichen Produktgruppen nicht den Schluss ziehen, dass die Inflation vor allem von der Gesamtbevölkerung beglichen wird, während Ausgaben außerhalb des täglichen Bedarfs mitunter sogar billiger wurden?

Nominal ist der Durchschnitt der unteren und mittleren Haushaltseinkommen in den letzten Jahren inflationsbereinigt zwar nur leicht gesunken (und das trotz allgemeinen Wirtschaftswachstums), aber bei einer Unterscheidung in Grundversorgungsgüter und Wohlstandsgüter kämen wir zu ganz anderen, noch weniger erfreulichen Ergebnissen. Dann nämlich müsste man den unteren Haushaltseinkommen eine deutliche Schrumpfung attestieren und den oberen ein, durch die korrigierte, schwächere Inflationsrate begünstigt, stärkeres Wachstum, als das bisher öffentlich vermittelt wurde. Hier sind die Statistiker - vor allem die unabhängigen - gefragt, das Gesamtbild klarer zu zeichnen. Auch und gerade im Wahljahr 2013.