Die Open-Access-Community
Harmonie, fehlende Reibung und die Vorstellung des goldenen Open Access
Die Open Access Tage 2012 in Wien sind vorüber, es gab viel Positives zu vermerken: Eine gelungene Organisation und höchst interessante Informationen über neue Open-Access-Entwicklungen, die im universitären Arbeitsalltag sehr wichtig sein werden, sowie einige erhellende Sessions und Beiträge, etwa zu Forschungsdaten, Open-Access-Publikationsfonds und zu Social Media Impact. Allerdings stellte sich auch eine gewisse Vorhersehbarkeit der Tagung ein - verständlicherweise gibt es einen festen Set an Themen, die Open Access ausmachen (wie z.B. der offene Zugang zu Forschungsdaten oder die Änderungen im österreichischen, schweizerischen, deutschen und EU-Kontext) und bei denen es, wenn auch manchmal kleine, aber dennoch berichtenswerte Fortschritte gibt.
Allerdings fehlen den Open Access Tagen zunehmend Reibung und Selbstreflexion. Mit den Jahren wurde die Tagung zusehends harmonischer, zuweilen herrscht eine Stimmung, wie man sie bei einem Klassentreffen gesetzter Herrschaften erwartet: Man schwelgt in Erinnerungen an die harten Zeiten im Open Access Steinbruch und versichert sich wechselseitig, alles richtig gemacht zu machen. Man hat ja was erreicht. Das stimmt: Open Access hat eine feste Position gefunden (auch wenn diese besser sein könnte), zum Beispiel ist das der jährliche Zuwachs an Open Access verfügbarer Literatur höher als der Zuwachs wissenschaftlicher Literatur insgesamt. Aber gerade weil Open Access sich formiert hat, wäre es an der Zeit, die Selbstreferentialität beiseite zu legen und etwa zu fragen, wie andere (z.B. Wissenschaftler) Open Access wahrnehmen oder wie sich Open Access auf die interne Wissenschaftskommunikation auswirkt. Verlage, Datenbankanbieter und Bibliotheken sind eher Dienstleister in der Wissenschaftskommunikation und damit externe Akteure.
Man könnte nun auch prüfen, ob Open Access die (teils etwas naiv formulierten) Heilserwartungen vergangener Tage tatsächlich erfüllt und wirklich Disparitäten reduziert hat, etwa in dem er zu einer Erhöhung des Anteils wissenschaftlicher Publikationen aus wirtschaftlich benachteiligten Regionen oder zur Verringerung der Diskriminierung von Frauen im Wissenschaftssystem geführt hat. Eine solche Infragestellung vermisst man allerdings. Ein weiteres Manko, das ebenfalls den Eindruck der Selbstreferentialität erweckt, ist die weitgehende Absenz der Wissenschaftler. Außer dem Key-Note-Speaker Björn Brembs waren diese so gut wie nicht vertreten.
Auch die abschließende Podiumsdiskussion wirft Fragen auf. Zum Thema "Open Access Publishing Trends" diskutierten ausschließlich Repräsentanten wissenschaftlicher Verlage, darunter zugegebenermaßen auch eine Vertreterin eines universitären Non-Profit Open-Access-Verlags und ein Vertreter eines originären Open-Access-Verlags. Es wirkten allerdings auch zwei Vertreterinnen etablierter und markstarker Verlagshäuser ( Springer Publishing und Wiley) mit, deren hergebrachtes Geschäftsmodell das zur Informationsverknappung führende Subskriptionsverfahren ist und die bisher, gelinde gesagt, nicht durch ein der Wissenschaftskommunikation förderliches Pricing Modell aufgefallen sind: Weder im erwähnten Subskriptionsmodell, noch im von beiden Verlagen mittlerweile angebotenen Open-Access-Modus, bei dem Autoren Artikelgebühren von beispielsweise bis zu 2.500 Euro (im Falle von Wiley Open oder 1.500 Euro (im Falle von Springer Open) zahlen.
Ganz sicher müssen auch die Kosten einer Publikation im Open Access gedeckt werden und natürlich steht jedem Verlag das Recht zu, Gewinn zu erwirtschaften. Open, pardon: offen ist allerdings die Frage welche Kosten eine Open-Access-Publikation tatsächlich verursacht: Im Projekt "Publishing and the Ecology of European Research" (PEER) kam man zum Ergebnis, der Preis eines Artikels liege bei zwischen 420 und 650 US-Dollar, andere Schätzungen gehen von Preisen zwischen 6,50 bis 10 US-Dollar aus. Auch wenn die Kosten pro Artikel sehr schwierig zu vergleichen sein können: Wie der Preis faktisch zustande kommt, ist meist intransparent, schließlich will kein Verlag publik machen, wie er seine Gewinnmargen erreicht.
Letztlich dürfte der Preis kaum real im Sinne der Arbeitswertheorie sein, sondern eher, wie der Wissenschaftler und Open-Science-Vertreter Peter Murray Rust kürzlich formulierte, so illusionär sein wie der Preis, den man bereit ist für Parfum zu zahlen.
Die derzeit in der Open-Access-Community tobende Debatte, ob der grüne Weg des Open Access, bei dem Wissenschaftler bereits in Verlagen publizierte Texte parallel auf Open-Access-Servern entgeltfrei verfügbar machen, oder goldene Weg des Open Access (sprich das Publizieren in Open-Access-Verlagen) sinnvoller sei, wurde weitgehend ausgeklammert. Kritiker des goldenen Open Access werfen diesem angesichts der teils hohen Publikationsgebühren vor, mittelfristig ein Kostenrisiko für die Wissenschaft darstellen. Vertreter von goldenen Open-Access-Angeboten, die nicht im high-priced Level anzusiedeln sind und teils sehr hochwertige Journale mit geringen (oder ganz ohne) Publikationsgebühren betreiben, hätten die Diskussion um das Open-Access-Pricing und wirtschaftliche Wissenschaftskommunikation sicher bereichern können, kamen aber leider nicht zu Wort. Vielleicht hätten sie für die notwendige Diskussion um die Gebühren des Open Access und für Reibung gesorgt.