Die familienfreundliche Bundeswehr im Einsatz
Die Bundeswehr soll fit für neue Aufgaben gemacht werden, selbst Kritiker bestreiten das Ziel einer familienfreundlichen Bundeswehr nicht grundsätzlich
Die neue Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte es schon nach wenigen Tagen im Amt verstanden, mit dem Schlagwort von der familienfreundlichen Bundeswehr Akzente zu setzen. Damit greift sie einen Vorschlag auf, den eine Kommission schon unter dem Kurzzeitverteidigungsminister von Guttenberg vorgelegt hatte.
Die nun angestoßene Debatte über die bessere Vereinbarkeit von Bundeswehr und Familie und der Versuch, die Truppe attraktiver zu machen, scheinen kaum auf Kritik zu stoßen.
Karriereberater bei der Bundeswehr
Dabei ist das Werben für eine familienfreundliche Bundeswehr Teil einer Akzeptanzinitiative für die deutsche Truppe. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass die Bundeswehr im ersten Quartal des Jahres 2013 mehr als 800 Propagandaveranstaltungen durchführte. Sie werden größtenteils von "Karriereberatern" und "Jugendoffizieren" bestritten. Erstere widmen sich vor allem der Werbung von Heranwachsender. Die Jugendoffiziere sollen vor allem Schülern und Studierenden die Vorzüge einer Bundeswehrkarriere nahebringen. Für die neue Bundesregierung ist diese Aufgabe so wichtig, dass sie sich sogar im Koalitionsvertrag wiederfindet:
"Wichtig ist es, dass der Dienst in der Bundeswehr attraktiv bleibt. Wir werden eine Attraktivitätsoffensive voranbringen", heißt es dort. "Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich", wird die Arbeit der Karriereberater gewürdigt.
Im Koalitionsvertrag wird auch nicht verschwiegen, was das Ziel dieser massiven Akzeptanzwerbung für die Bundeswehr ist. So wird unter dem Begriff der Neuausrichtung der Bundeswehr der Umbau der Truppe zur weltweit agierenden Interventions- und Besatzungsarmee vorangetrieben. Die deutsche Bundeswehr soll über ein "breites" kriegerisches "Fähigkeitsspektrum" und eine gesteigerte "Durchhaltefähigkeit" auf fremdem Territorium verfügen. Ob dazu bald auch die zentralafrikanischen Regionen gehören, ist noch offen. Die Süddeutsche Zeitung hatte von Plänen der deutsch-französischen Brigade berichtet, das Militärengagement in Mali zu verstärken. Die Bundeswehr soll nach diesem Bericht den Einsatz mit Transportflugzeugen und Luftbetankung unterstützen. Ob dieser Einsatz im deutschen Interesse ist, war bisher strittig.
Noch vor einigen Wochen hatte Bundeskanzlerin Merkel die Beteiligung mit der Begründung abgelehnt, dass der Militäreinsatz unter französischer Regie stehe. Da er nun aber in die Hände der EU gelegt wurde, könnte sich die Situation geändert haben. Deutsche Interessen vertritt auch das Kommando Spezialkräfte, das unter anderem in Afghanistan in verdecktem Einsatz ist. Das soll auch unter der großen Koalition so bleiben: "Einsätze des Kommandos Spezialkräfte sind immer mit einer hohen Gefährdung unserer Spezialkräfte verbunden und unterliegen der Geheimhaltung. Wir werden die Unterrichtung des Parlaments über KSK-Einsätze in der bewährten Form sicherstellen", heißt es im Koalitionsvertrag.
Der bekennt sich auch zu einer "innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie". Mittelständige Rüstungsunternehmen sollen ebenso davon profitieren wie die Luft- und Raumfahrtindustrie, der eine "wichtige strategische Rolle für unseren Wirtschaftsstandort" bescheinigt wird.
Die Linke auf den Weg in die Mitte
Selbst Kritiker der Militiarisierung bringen das Ziel der familienfreundlichen Bundeswehr selten mit der Neuausrichtung der Truppe in Zusammenhang. So stellte die bisher als scharfe Militärkritikerin bekannt gewordene Linken-Politikerin Christine Buchholz im article_id=274441: Interview mit dem Deutschlandfunk das Ziel einer familienfreundlichen Bundeswehr nicht grundsätzlich in Frage. Auf ihrer Homepage heißt es lediglich, dass die Familienfreundlichkeit mit einer Armee im Einsatz unvereinbar sei.
Dabei müsste doch die erste Frage sein, für welche Zwecke denn die Bundeswehr familienfreundlicher werden soll? Und müsste gerade eine Partei, die sich auf den Antimilitarismus beruft, dem Vorhaben einer familienfreundlichen Armee nicht massiv widersprechen? Schließlich geht es um eine massive Akzeptanzwerbung, die auch bereits Erfolg hat. Dass das Ziel einer familienfreundlichen Bundeswehr selbst bei Kritikern von der Linkspartei nicht infrage gestellt wird, ist ein Indiz dafür.
Dass der erklärte Reformsozialist Stefan Liebich kürzlich fraktionsintern zum Obmann seiner Partei für den Außenpolitischen Ausschuss gewählt wurde und sich damit gegen die Parteilinke Sevim Dagdelen durchsetzte, kann mit Recht als eine Richtungsentscheidung gewertet werden, wie es in der Publikationen des Realoflügels auch interpretiert wird. Vergeblich hatte die Parteilinke vor einer Verwässerung der antimilitaristischen Ausrichtung der Partei gewarnt, für die Liebich steht, was und auch von seinen Anhängern nicht bestritten wird. "Mit der Wahl Liebichs zum Obmann führt nun ein Abgeordneter die Ausschussvertreter der Linken an, der sich für eine Neuausrichtung linker Außen- und Sicherheitspolitik einsetzt", heißt es im Potemkin. Liebich hat den Anspruch die Militärpolitik seiner Partei so zu gestalten, dass damit auch ein Bündnis mit SPD und Grünen möglich wird. Diese Bemühen um Anschluss wird als Politik "jenseits der ausgetrampelten Pfade" verkauft.
Einige Veteranen der Grünen könnten sich dabei an alte Zeiten erinnert fühlen. Denn mit einem ähnlichen Vokabular verabschiedete sich Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts die Partei von ihren antimilitaristischen Positionen. Das war ein sich über Jahre hinziehender Prozess und er verlief keineswegs widerspruchsfrei. Doch am Ende hatte sich der Realoflügel durchgesetzt. Ludger Volmer, der noch Ende der 80er Jahre die strikte Anti-Nato-Position der Grünen kritisch überdenken wollte, wurde Minister in der ersten rot-grünen Bundesregierung und verteidigte den Angriff auf Jugoslawien. Da heute die außerparlamentarische Bewegung gegen Militarismus und Krieg klein ist, dürfte es für die Antimilitaristen in der Linkspartei besonders schwer sein, eine Entwicklung wie bei den Grünen zu verhindern.
Der geringe Widerstand gegen Militarismus in Deutschland wurde bereits zum Thema von Theaterprojekten wie dem gerade in den Berliner Sophiensälen laufenden Stück "Im Apparat der Kriege". Der Regisseur ist ein Aktivist der Friedensbewegung der 1980er Jahre, der mit Verwunderung feststellt: "Seit 1999 befindet sich Deutschland wieder im Krieg – doch hier ist davon nichts zu spüren."
Dabei ist die Erklärung gar nicht so schwer und wurde bereits vor 20 Jahren von schlauen Beobachtern der politischen Szene geliefert. Die deutsche Friedensbewegung der späten 1980er Jahre mobilisierte sich vor allem daran, dass man nicht bereit war, für die USA oder die Sowjetunion militärische Risiken einzugehen. Nun, wo die Nachkriegsordnung von Jalta der Vergangenheit angehört und Deutschland selber wieder Kriegspartei ist, sehen viele keinen Grund mehr, dagegen zu sein. Zumindest solange der Krieg weit weg ist und die Zahl der in Särgen zurückkommenden Bundeswehrsoldaten sich in Grenzen hält. Sonst würde auch die Propaganda für die familienfreundliche Bundeswehr schnell an ihre Grenzen stoßen.