Diesel-Fahrverbote: Umweltschützer beantragen Erzwingungshaft
Die bayerische Landesregierung wähnt sich offenbar über dem Gesetz stehend und will Gerichtsurteile nicht umsetzen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will, dass gegen die bayerische Staatsregierung wegen Missachtung von Gerichtsurteilen vorgegangen wird. Diese hatten mehrfach die Einleitung von Fahrverboten in der Landeshauptstadt München verlangt. Bereits letzte Woche habe man, wie gestern mitgeteilt wurde, vor dem Münchener Verwaltungsgericht einen Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes oder einer Erzwingungshaft gestellt.
Die Landesregierung hatte vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 27.02.2017 ins Stammbuch geschrieben bekommen, dass ein bereits aus dem Jahre 2012 stammendes Urteil vollstreckbar ist. Das Gericht hatte der Regierung Fristen für die Vorbereitung von Diesel-Fahrverboten gesetzt. Wie die Münchener Abendzeitung berichtet hat man diese aber verstreichen lassen. Ein dazu erforderliches Gutachten sei erst Wochen nach Verstreichen der Frist abgeliefert worden, die für die Maßnahme notwendige Bürgerbeteiligung wurde noch immer nicht eingeleitet. Die Öffentlichkeitsbeteiligung hätte bereits Ende August bekannt gemacht werden müssen, so die DUH.
Der Rechtsstreit um die Stickoxidbelastung in der Isar-Metropole zieht sich bereits seit Jahren hin. Nach Angaben der DUH ist das Urteil, das von der Landesregierung eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans fordert, bereits seit 2014 rechtskräftig. Im Juni 2016 sei die Landesregierung vom Verwaltungsgericht München unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert worden, das Urteil umzusetzen.
Dagegen wurde Beschwerde eingelegt, wodrauf am 27.2.2017 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Freistaat dazu verdonnerte, bis zum 29.6.2017 der Öffentlichkeit ein vollständiges Verzeichnis aller Straßenabschnitte im Gebiet München vorzulegen, an denen der NO2-Immissionsgrenzwert überschritten werde.
Nach Angaben der DUH sei dieses Gutachten auf Anordnung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofers zunächst unter Verschluss gehalten worden. Erst ein gerichtlich verhängtes Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro habe die Veröffentlichung bewirkt.
"Mit mir wird es flächendeckende Fahrverbote nicht geben", hatte Seehofer im Bundestagswahlkampf getönt. Quelle allen Übels schien für ihn die Bundesumweltumweltministerin Barbara Hendricks, die "Millionen von Dieselfahrern mit Fahrverboten bedroht" habe. Für die Besitzer von Dieselfahrzeugen sei dadurch "ein riesiger Wertschaden eingetreten".
"Vorsätzliche Missachtung des höchsten bayerischen Gerichts"
Das besagte Gutachten habe ergeben, schrieb im Juli die Süddeutsche Zeitung, dass die Münchener Luft noch schmutziger als gedacht sei. An 123 Kilometern des Hauptverkehrsstraßennetzes der bayerischen Landeshauptstadt gebe es Überschreitungen des NO2-Grenzwertes. Dabei glauben die Umweltschützer, dass die Gutachter von zu niedrigen Annahmen ausgegangen seien.
Die Landesregierung wäre jetzt dafür zuständig, wie ihr wiederholt vom Gericht aufgetragen wurde, einen Plan vorzulegen, wie die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte möglichst bald eingehalten werden können. Beim Stand der Dinge wird das vermutlich nur mit Fahrverboten für Dieselfahrzeuge gehen.
"Die vorsätzliche Missachtung des höchsten bayerischen Gerichts zeigt erschreckende Demokratiedefizite des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Die bayerische Staatsregierung ist offenbar dem Irrglauben verfallen, sich über geltendes Recht und über rechtskräftige Urteile hinwegsetzen zu können. Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, um zum Schutz der Gesundheit der Münchner saubere Luft bereits im kommenden Jahr durch Diesel-Fahrverbote durchzusetzen."
Jürgen Reesch, DUH-Bundesgeschäftsführer
Die DUH weist daraufhin, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Februar 2018 über die Zulässigkeit von Fahrverboten entscheidet. Die Landesregierung in München müsse bis dahin die Maßnahmen zur Einführung von Diesel-Fahrverboten abgeschlossen haben, um diese umgehend durchsetzen zu können. Die EU-Kommission habe bereits wegen der fortgesetzten Verletzung der Grenzwerte ein Vertragsverletzungsverfahren angestrengt. Im Dezember werde es vor den Europäischen Gerichtshof gebracht.
Zurück bleiben letztlich nicht nur die Münchener Bürger, die die stark belastete, besonders für Kinder und alte Menschen bedenkliche Luft einatmen müssen, sondern auch Demokratie und Rechtsstaat. Statt für saubere Luft zu sorgen und zum Beispiel die Autoindustrie für ihre Abgasschmummeleien zu belangen, setzt sich der bayerische Ministerpräsident über Gerichtsurteile hinweg und versucht auch noch dem politischen Gegner in aggressivem Ton die Schuld für die Misere unterzuschieben. Bei einem solchen Diskursstil darf man sich eigentlich nicht wundern, wenn Rechtsradikale immer noch einen drauf legen, um sich gegenüber den Konservativen zu profilieren.