Diesel-Skandal: Zahlt die Zeche der Fiskus?

Berater der Bundesregierung wollen Diesel-Pkw mit Steuergeldern nachrüsten

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Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung, schlägt ein Beratergremium der Bundesregierung vor, Dieselfahrzeuge, die mit unzulässig hohen Emissionen auf den Straßen unterwegs sind, auf Kosten des Steuerzahlers nachzurüsten. Die sogenannte Arbeitsgruppe "Technische Nachrüstung" soll laut Koalitionsvertrag Grundlagen für Maßnahmen gegen die illegal hohe Sickoxidbelastung in den meisten deutschen Großstädten erarbeiten.

Laut Umweltbundesamt (UBA) ist die Nachrüstung sinnvoll und kann, sofern die richtigen Katalysatoren genommen werden, die spezifischen Emissionen eines Pkw um 70 Prozent mindern. Voraussetzung sei ausreichend Raum für den Katalysator und die Mitarbeit der Industrie. Die Hersteller müssen ihre Motordaten herausrücken, damit die Katalysatoren richtig eingestellt werden. Das setzt natürlich eine gewisse Ehrlichkeit voraus ...

Derweil hagelt es Kritik an dem Vorschlag der Arbeitsgruppe. Greenpeace lässt in einer lediglich per Mail verschickten Pressemitteilung wissen, dass hier wohl auf Kosten des Steuerzahlers das Sterben einer veralteten Technik, des Dieselantriebs, verzögert werden soll.

"Nach gut zwei Jahren nicht endender Skandale einer Branche, die immer noch Milliardengewinne einfährt, ist dieser Vorschlag niemandem zu vermitteln. Die Hersteller dürfen sich weiter mit realitätsfernen Prospektwerten brüsten, während die Bevölkerung neben dem Gesundheitsrisiko durch Dieselabgase nun auch noch die Reparatur schmutziger Diesel tragen soll."
Niklas Schinerl, Greenpeace

Was die Milliardengewinne betrifft, so hatten wir erst kürzlich über jüngsten Daimler-Rekord-Gewinn berichtet. Nach Konzernangaben stieg der Konzern-EBIT, der Gewinn vor Steuern und Zinsen, 2017 um 14 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro.

Glaubwürdigkeit der GroKo

Der Verbraucherzentralen Bundesverband vzbv erinnert an das Verursacherprinzip.

"Halter von Dieselfahrzeugen sind akut von Fahrverboten bedroht, weil die Autoindustrie über Jahre zu dreckige Autos verkauft hat. Nun müssen schnell technische Nachrüstungen angeboten werden, die die Autos sauberer machen und so viele Halter wie möglich vor Fahrverboten bewahren. Für die entstehenden Kosten müssen aus Sicht des vzbv nach dem Verursacherprinzip aber die Autohersteller aufkommen. Ebenso müssen sie für mögliche Folgeschäden der Nachrüstung geradestehen. Die Fahrzeughalter für etwas zur Kasse zu bitten, für das sie nichts können, wäre ein Unding. Gleichzeitig darf sich der Staat nicht vor den Karren der Autoindustrie spannen lassen. Bevor ein staatliches Förderprogramm überhaupt diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflichtet werden."
Klaus Müller, vzvb-Vorstand

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hält die Nachrüstung von Diesel-Pkw für überfällig. Die Autohersteller hätten „die Luft in den Städten über Jahre durch mangelhafte Technik und betrügerische Manipulationen verpestet und gleichzeitig Milliardengewinne eingefahren.“

"Folgt die Bundesregierung der Empfehlung ihrer Berater, wäre dies ein fatales Signal für den Rechtsstaat. Nicht die Opfer, sondern die Verursacher der schlechten Luft müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die Entscheidung über die Nachrüstung von Diesel-Pkw ist eine Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der großen Koalition. Wir erwarten, dass CDU, CSU und SPD eine Beteiligung der Steuerzahler an den Kosten deutlich zurückweisen. Alles andere käme einer Kapitulation der Politik vor der Autoindustrie gleich. Zum Verdeutlichen: In Deutschland sitzen 4700 Menschen wegen Schwarzfahrens im Gefängnis, aber kein einziger Automanager."
Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD

Das ist ein trefflicher Vergleich, der allerdings nur stimmt, wenn von Verurteilungen ausgegangen wird. In Deutschland sitzt derzeit ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft, ein weitere Ex-Audi-Manager befindet sich wieder auf freiem Fuß.

Ladenhüter

Am Donnerstag hatte das Kfz-Handwerk über die Auswirkungen des Dieselskandals geklagt. Auf einer Pressekonferenz des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) berichtete dessen Präsident Jürgen Karpinski, dass die Gebrauchtwagenhändler auf Dieselfahrzeugen sitzen blieben.

100 Tage stünden die inzwischen durchschnittlich beim Händler, Benziner hingegen nur 80. Für die Händler bedeute dies zusätzliche Kosten und Wertverlust. Die Situation sei zum Teil Existenz bedrohend. Die Kunden seien völlig verunsichert. Der ZDK vertritt nach eigenen Angaben rund 38.000 Kfz-Meisterbetriebe mit etwa 455.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zuletzt rund 174,4 Milliarden Euro.

Immer neue Fälle

Derweil scheint ein Ende der neuen Fälle nicht in Sicht. Zuletzt hatte das Kraftfahrtbundesamt Anfang des Jahres den Rückruf von 127.000 Audis, davon 77.600 in Deutschland, angeordnet. "Die schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Motoraufwärmfunktion springt bei diesen Fahrzeugen nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an. Im realen Verkehr unterbleibt diese Nox-Schadstoffminderung", heißt es beim Amt.

Neuester Verdachtsfall ist der Mercedes-Kleintransporter Vito. Der Spiegel berichtete dieser Tage, dass das KBA "prüfe, Vertreter des Autoherstellers Daimler zu einer Anhörung zu bestellen". Es gebe den Verdacht einer unzulässigen Abschaltvorrichtung bei dem Modell.