Dieselgate: Anzeigen gegen Konzern-Vorstände eingereicht
Umweltschützer erstatten Strafanzeigen gegen mutmaßliches Auto-Kartell. Der Vorwurf: Verstoß gegen EU-Richtlinie, die Grenzwerte für die Schadstoffemissionen von PKW festsetzt
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat am heutigen Freitag bei den Staatsanwaltschaften in Berlin, München, Hamburg und Stuttgart Strafanzeigen wegen des Verdachts auf vorsätzliche Luftverunreinigung durch Stickoxid-Emissionen aus Diesel-Fahrzeugen eingereicht, wie der Verband in einer Pressemitteilung verbreitet. Die Anzeigen würden sich gegen die verantwortlichen Vorstände und leitenden Mitarbeiter von Volkswagen, Porsche, Audi, Daimler und gegebenenfalls auch BMW richten.
"Wir gehen davon aus, dass die Vorstände vorsätzlich und systematisch gehandelt haben, das zeigen die bekannt gewordenen Kartellabsprachen zur Abgasreinigung."
Werner Reh, BUND-Verkehrsexperte.
Das Umweltbundesamt hatte Ende April 2017 gemeldet, dass die meisten Dieselfahrzeuge die Stickoxid-Grenzwerte (NOx) im Alltagsbetrieb auf der Straße noch stärker als gedacht überschreiten. Die durchschnittlichen Emissonen der deutschen Diesel-Pkw-Flotte lägen nicht wie bisher angenommen bei 575 mg sondern bei 767 mg NOx pro Kilometer.
Das war das Ergebnis von Untersuchungen unter Umweltbedingungen, wobei unter anderem auch mit der ganzen Bandbreite der Deutschland üblichen Außentemperaturen gearbeitet wurde. Es zeigte sich u.a., dass die NOx-Emissionen bei kalten Temperaturen besonders hoch sind.
Der BUND wirft den Konzern-Vorständen konkret die Verletzung der EU-Verordnung über Emissionsgrenzwerte für Verbrennungsmotoren (EG Nr. 715/2007) vor. Geschehen sei dies durch "Manipulationen am Abgassystem von Fahrzeugen und durch die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen".
"Die Manipulationen am Abgassystem sind mehr als ein Verdacht, das belegen die Selbstanzeigen von Daimler und VW wie auch die aktuellen Rückrufaktionen", so Reh. Die Menschen in den Städten mit der bundesweit höchsten Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten – darunter Stuttgart, München und Hamburg – hätten besonders unter den Emissionen zu leiden.
Auch in Berlin ist die Belastung sehr hoch. Dort hatte die parteilose Umweltsenatorin Regine Günther gegenüber dem Sender RBB im Februar ein Fahrverbot für ältere Diesel erwogen. 70 Prozent der NOx-Emissionen stammten von Dieselfahrzeugen, so die Senatorin. 2016 hatte der RBB berichtet, dass an 6 von 16 der Berliner Messstellen der zulässige Jahresmittelwert der NO2-Konzentration in der Luft zum Teil deutlich überschritten wurde.
"Die Verantwortlichen der Autokonzerne haben aus unserer Sicht hohe Gesundheits- und Umweltbelastungen zu verantworten. Sie hätten weniger schädliche Autos produzieren können, haben sich aber offenbar bewusst fürs Täuschen und Manipulieren entschieden. Das fahrlässige bis mutwillige Verhalten der Autobosse muss politische und auch rechtliche Konsequenzen haben."
Werner Reh, BUND
Unterdessen hat, wie berichtet, das Verwaltungsgericht Stuttgart der Deutschen Umwelthilfe recht gegeben, die auf Fahrverbote geklagt hatte. Hier ein Kommentar der DUH mit Stellungnahmen ihrer Anwälte zur Entscheidung in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.