EU-Kommission schlägt neue Klimaziele vor
Um 40 Prozent sollen die Treibhausgasemissionen der Gemeinschaft bis 2030 reduziert werden. Zu wenig meinen Kritiker. 18 Prozent waren bereits 2012 erreicht
Die EU-Kommission hat am Mittwoch in Brüssel ihre Vorschläge für die neuen Klimaschutzziele und begleitende energiepolitische Maßnahmen vorgestellt. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduziert werden und 27 Prozent der Primärenergie von erneuerbaren Energieträgern bereitgestellt werden.
Vorausgegangen waren dem heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Kommission und auch mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten. Wäre es nach dem deutschen Energiekommissar Günther Oettinger und einigen Regierungen wie der britischen gegangen, wären die Ziele noch bescheidener ausgefallen.
Der Guardian zitiert Studien nach denen der Treibhausgasausstoß bis 2020 bereits auf 25 Prozent des 1990er Niveaus gedrückt sein wird. Auch das wären nur weitere sieben Prozentpunkte in sechs Jahren, denn 2012 waren bereits -18 Prozent erreicht.
Einige Regierungen hatten für 2030 ein 45-Prozent-Ziel gefordert, andere wollten bloß 35 bis 40 Prozent festgeschrieben sehen. Die Ausschüsse für Industrie- und Umwelt des EU-Parlaments hatten in einer gemeinsamen Position 40 Prozent Reduktion gefordert aber zugleich ein 30-Prozent-Ziel bei den Erneuerbaren und vor allem eine verbindliche Steigerung der Energieeffizienz um 40 Prozent. Bei Letzterer bleibt der Kommissionsvorschlag völlig unverbindlich.
Der Emissionshandel soll hingegen weiter das zentrale Instrument des Klimaschutzes bleiben und mit einem Stabilisierungsmechanismus ausgestattet werden, der künftig größere Preisschwankungen verhindern könnte. Für das sogenannte Fracking, das in einigen Ländern wie Großbritannien, Deutschland, Rumänien und Polen von großen Energiekonzernen angestrebt wird, gab es nur einige Empfehlungen für Mindeststandards und nicht den Entwurf einer Direktive, also gesetzlich verbindlicher Regelungen, wie einige gehofft hatten.
Anders als die Berichterstattung mancher Medien vermuten lässt, ist mit dem Vorschlag der Kommission noch lange nicht das letzte Wort gesprochen. Diese liegt im Wesentlichen bei den Regierungen der Mitgliedsländer. Auch das EU-Parlament kann die Entscheidungsfindung durchaus noch beeinflussen. Voraussichtlich werden die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel am 20. und 21 März das Paket weiter verhandeln und evt. auch verabschieden.
Zustimmung für die Vorschläge der Brüsseler Kommission gab es vom Bundesverband der Deutschen Energie- Wasserwirtschaft (BDEW), in dem neben den vier Branchenriesen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW auch zahlreiche Stadtwerke und andere kleinere Unternehmen vertreten sind. „Die deutsche Energiewirtschaft unterstützt ausdrücklich das heute von der Europäischen Kommission vorgeschlagene europaweit verbindliche CO2-Minderungsziel von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2030. Aufgrund der langfristigen Investitionszyklen ist es aus Sicht der Energieunternehmen von entscheidender Bedeutung, so frühzeitig wie möglich verlässliche europäische Rahmenbedingungen für 2030 zu erhalten“, meinte BDEW-Chefin Hildegard Müller. Das kann man, wenn man will, auch so verstehen, dass eine Verzögerung des Ausbaus der erneuerbaren Energieträger Sicherheit für die Betreiber neuer Kohlekraftwerke bringt.
Von anderer Seite hagelte es Kritik. Für die Linkspartei monierte zum Beispiel deren Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter: „Es ist ein Unding, dass es exakt für jenen Bereich im Klimaschutz keine EU-Ziele geben soll, bei dem es die ärgsten Probleme gibt - der Energieeffizienz.“ Und weiter: „Das EU-Klimaschutzziel bis 2030 ist mit 40 Prozent (...) um mindestens 15 Prozent zu niedrig angesetzt. (…) Beim Ausbauziel für erneuerbare Energien liegt die EU-Kommission mit 27 Prozent ebenfalls deutlich unter dem Machbaren. Beides wird der konventionellen Kraftwerkswirtschaft nutzen und die Energiewende verhindern. Der Verzicht auf ein EU-Effizienzziel ist völlig unverständlich. Liegen hier doch die größten und preiswertesten CO2-Einsparpotentiale – die aber offensichtlich nicht angehoben werden.“
Oliver Krischer von der Grünen Bundestagsfraktion sieht das ähnlich: „(D)en Ausstoß der Klimagase um 40 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 zu reduzieren, würde den endgültigen Abschied Europas von der Vorreiterrolle beim Klimaschutz bedeuten. (...) Dieses Versagen ist auch ein verheerendes Signal in Richtung Paris, wo 2015 ein internationaler Klimavertrag ausgehandelt werden soll.
Auch das Ausbauziel von 27% für Erneuerbare Energien bis 2030 ist völlig unambitioniert. Dass es keine nationalen Ausbauziele für Erneuerbare Energien mehr geben soll bietet allen Mitgliedsstaaten das perfekte Alibi, nicht in Erneuerbare Energien zu investieren. Die EU-Kommission plant ihre Klimaschutzziele also wenn überhaupt nur noch mit gefährlichen Dinosauriertechnologien wie Atomkraftwerken und CCS erreichen zu wollen. Der Fracking-Technologie zur Erdgasförderung wurde heute dagegen eine Freifahrtsschein in Brüssel ausgestellt. Die Kommission hat klargemacht, dass sie keine neuen Gesetze zur Regulierung der Fracking-Technologie für notwendig erachtet, obwohl das Europäische Parlament dies im Herbst gefordert hatte.“
Kritik gab es auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund. DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel meinte am Mittwoch in Berlin: „Die heute vorgelegten Vorschläge der EU-Kommission für die künftige Ausgestaltung der EU-Klima- und Energiepolitik sind unzureichend. Sie stellen sogar eine Gefahr für Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze in Europa dar. Die EU-Kommission darf nicht vergessen, dass erneuerbare Energien und Energieeffizienz die Schlüssel einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung und Krisenbekämpfung darstellen. Angesichts weiter steigender Energieimportkosten in Europa führt daran kein Weg vorbei.“
Allerdings verteilt Hexel auch Lob an die Bundesregierung. Diese habe bereits vorab signalisiert, „dass sie für eine Fortschreibung ambitionierter Ziele eintritt.“ Was er damit gemeint haben könnte, bleibt offen. Das ebenfalls am Mittwoch verhandelte Eckpunktepapier des neuen Energie- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriels kann es eigentlich nicht sein. Das stellt ja mit seinen diversen Maßnahmen zu Begrenzung des Ausbaus und zur Bevorzugung kapitalkräftiger Akteure nicht gerade einen Meilenstein auf dem Weg zu einer raschen, effizienten und bürgerfreundlichen Energiewende dar.