Ecuador wählt Kontinuität der "Bürgerevolution"

Zehn Jahre nach seinem Wahlsieg trat Correa nicht erneut an, doch das Rennen machte sein Vize fast schon in der ersten Runde

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Gut zehn Jahre hatte der linke Rafael Correa nach seinem klaren Wahlsieg das Land regiert und es mit der deutlichen Unterstützung der Bevölkerung umgekrempelt. Er sorgte für eine bis dahin unbekannte politische und soziale Stabilität. Es gab in den zehn Jahren klare institutionelle Fortschritte und vor allem soziale Erfolge für die einfache Bevölkerung im Land stechen hervor.

Nach einem Bericht des Center for Economic and Policy Research (CEPR) in Washington ist es der Correa-Regierung in dieser Zeit gelungen, die Armutsrate um 38% zu senken. Die extreme Armut ging sogar um 47% zurück, obwohl die Regierung praktisch die Geschäfte übernahm, als die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise Schockwellen über den gesamten Globus geschickt hat.

Trotz der jahrelangen Krise kann Ecuador auf fast zehn Jahre mit beständigem Wachstum zurückschauen. Nur im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft erstmals wieder, weil die Preise für Öl, das etwa 50% aller Exporte ausmacht, massiv in den Keller gegangen sind.

Da Correa aber nicht vorhatte, sich wie andere Regierungschefs in Südamerika dauerhaft im Regierungssitz zu verewigen, trat er nun nicht erneut zur Wahl an. Der Kandidat Lenín Moreno liegt mehr als zehn Prozentpunkte über dem Zweitplatzierten Guillermo Lasso. Doch ihm fehlen noch einige Stimmen, um auch die zweite Prämisse zu erfüllen, schon im ersten Wahlgang auf mindestens 40% der Stimmen zu kommen.

Noch dauert die Auszählung an und der Wahlrat (CNE) will erst am Mittwoch das definitive Ergebnis vorlegen. Bisher liegt Moreno bei 39,2% und damit deutlich über der Marke, die pessimistische Umfragen vorhergesagt hatten. Derzeit sind erst gut 94% der Stimmen definitiv ausgezählt. Knapp 6% der Stimmen würden "nachhängen" oder es gäbe "zahlenmäßige Unstimmigkeiten", teilte der CNE-Chef Juan Pablo Pozo mit, bei denen die Abweichungen größer als 1% seien. Allerdings ist kaum noch zu erwarten, dass es Moreno noch schaffen kann, die Hürde von 40% zu überschreiten. Deshalb dürfte es zu einem zweiten Wahlgang und einer Entscheidung zwischen dem linken Vertreter der Bürgerrevolution und dem rechten Lasso kommen.

Die Probleme bei der Auszählung seien völlig normal, sagte er im Hinblick auf die Tatsache, dass die Anhänger des klar unterlegenen Konservativen schnell von Wahlbetrug gesprochen haben und zum Teil sehr rabiat vorgehen. So drohten Lasso-Anhänger unter anderem mit der Stürmung des Wahlrates, der daraufhin geräumt wurde, was die Auszählung nicht gerade befördert hat.

Pozo erklärte, dass im Unterschied zu früheren Wahlprozessen die Akten im Internet einzusehen seien, weshalb maximale Transparenz gesichert sei. Auf einigen Dokumenten fehlten aber zum Beispiel die Unterschriften des Präsidenten des jeweiligen Wahlbüros. Pozo fordert angesichts von aufgebrachten Konservativen, man solle Ruhe bewahren und sich in etwas Geduld üben. Er hat Lasso und Moreno zu einem Treffen eingeladen, um über die Probleme bei der Auszählung zu sprechen.

Die Wahlen wurden von verschiedenen Organisationen beobachtet, von denen keine über ernstzunehmenden Unregelmäßigkeiten berichten konnte. Die Beobachtermission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) spricht von zehn Vorwürfen, die Bürger oder Politiker ihren Beobachtern berichtet hätten. Anderen Beobachtermissionen wurden keine Unregelmäßigkeiten angezeigt, weshalb man der Einschätzung der Sonderkommission der Gemeinschaft südamerikanischer Nationen (Unasur) folgen kann, dass man es mit einem normalen Wahlvorgang zu tun hatte. Sie hatte lediglich festgestellt, dass einige Wahllokale verspätet geöffnet wurden. Wie die OAS haben alle Beobachter die Politiker und die Wähler aufgefordert, mit Geduld die Auszählung abzuwarten. Und alle drei Beobachtermissionen lobten den Wahlprozess und die Auszählung.

Entscheidung, ob der Reichtum des Landes auch der breiten Bevölkerung zugutekommt

Wie der zweite Wahlgang, zu dem es vermutlich am 2. April kommen wird, ausgehen wird, ist natürlich unklar. Allerdings ist der Unterschied zwischen beiden Widersachern deutlich, weshalb die Chancen für Moreno und eine Kontinuität der Linksregierung groß ist. Da sich aber die drittplatzierte Cynthia Viteri klar für die Unterstützung von Lasso ausgesprochen hat, kann auch eine Überraschung nicht definitiv ausgeschlossen werden.

Das wäre vor allem dann der Fall, wenn der viertplatzierte Paco Moncayo Gallegos, ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt Quito, bei seiner Ankündigung bleibt, keinen der beiden Kandidaten unterstützen zu wollen. Doch die gut 600.000 Wähler (knapp 7%) seiner "Izquierda Democrática" (Demokratischen Linke), in der sich vor allem unzufriedene frühere Anhänger von Correa und Moreno gesammelt haben, müssen sich entscheiden, ob sie wieder die Rechte an die Macht bringen wollen. Und das ist eher unwahrscheinlich.

Denn wie der oben schon erwähnte Bericht aufzeigt, geht es um die Entscheidung, ob der Reichtum des Landes auch der breiten Bevölkerung zugutekommt oder ob ihn erneut nur einer kleinen Elite einstreicht, wie es eine lange Zeit der Fall war. So hat das Center for Economic and Policy Research aufgezeigt, dass die Sozialausgaben vor allem im Gesundheitsbereich, im Wohnungsbau, der Stadtentwicklung und dem Bildungssektor unter Correa gesteigert wurden. Besonders stark sei in Bildung investiert worden. Ecuador gibt dafür inzwischen 2.1% seiner Wirtschaftsleistung aus, womit es unter den lateinamerikanischen Staaten Spitzenreiter ist und damit sogar über dem Durchschnitt der entwickelten Staaten der OECD liegt.

Nach Ansicht der CEPR-Experten lässt sich der wirtschaftliche und soziale Fortschritt im Land nicht mit einem "Rohstoffboom" erklären. Er sei vielmehr das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen und Reformen. So steht mit den Wahlen auch eine verantwortungsvolle und solidarische Finanzpolitik auf dem Spiel. "Die Erfahrung Ecuadors über die letzte Dekade ist deshalb relevant, da sie aufzeigt, dass die Regierung eines relativ kleinen Entwicklungslandes der unteren Einkommensgruppe weniger von der Weltwirtschaft und der Globalisierung eingeschränkt ist, als allgemein angenommen", resümiert der Bericht und bezeichnet das Land als Vorbild für andere Entwicklungsländer.