Ein lauwarmer Splatter-Engel

James McTeigue: Ninja Assassin

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James McTeigue stellt mit Ninja Assassin (2009, nicht zu verwechseln mit dem Spiel Assassin's Creed II), eine Neuaufbereitung alter fernöstlich getrimmter Kampf- und Rachefilme der 70er Jahre vor. Als Produzenten firmieren Joel Silver, Andy und Larry Wachowski ("Matrix"). McTeigue war der ewige Assistant oder Second Unit Director bei "Dark City", "Stars Wars: Episode II", "The Matrix Reloaded", "The Matrix Revolutions". Er mauserte sich zum Regisseur mit "V wie Vendetta" und mutierte bei "Speed Racer" wieder zum Second Unit Director und bei "The Invasion" neben Oliver Hirschbiegel zum ungenannten Regie-Ausputzer.

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(Bild: Warner Bros.)

McTeigues fast unsichtbare Regiearbeit ist das spannende Werk eines Stellvertreters, Lückenbüßers und Patchworkers am Ende des linearen Kinofilms im digitalen Zeitalter. Eine gefragte Tätigkeit, die Löcher und Stockungen in grenzwertigen Produktionen beseitigt. So auch, wenn asiatische Kampfsport-Mentalitäten aus westlicher Sicht gegen-produziert und neuen Gewaltstandards (Tarantinos "Kill Bill") angepasst werden, wie bei "Ninja Assassin". Es geht um die Neuvermessung der Kinoparameter im virtuellen Realismus, zwischen Blue Screen, Motion Capture und artifiziellem Universum.

Finsterer Far-East-Elvis

Mc Teigues Film "Ninja Assassin" kreist vor allem um die Darstellerleistung von Rain. Das ist der Künstlername des in Seoul geborenen Jung Ji-hoon, ein guttrainierter, wahlweise grummelig oder treuherzig dreinblickender Model-Darsteller sowie R&B- und K(orean)-Pop-Sänger. Mit seiner Musik repräsentiert er modernere Boy-Group-Songs in einer abgesofteten Post-Hiroshima-Ästhetik. Hier werden die Schlager der älteren Generation in Japan und Korea im Zeichen des verjüngten MTV-Asia-Marktes abgelöst. Und auf diesen grobschlächtigen Markt spekuliert der Film als Exportware. Rain gibt äußerlich eine ziemlich gute Figur ab: als Raizo, ein Outlaw und Rächer unserer Tage, ein finsterer Far-East-Elvis. Allerdings, ohne die spirituelle Wendigkeit, die Bruce Lee auch auf der Leinwand, noch in den abgewracktesten Lagen umgab. Rain schlägt eher in die bodenständige Kraft-Richtung von Chuck Norris und Stephen Seagal (mit seinem angeblichen Filmverrat an der Aikido-Ethik), es fehlt die Dezenz des seligen TV-Kung-Fuisten David Carradine.

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(Bild: Warner Bros.)

Auf der Strecke bleibt bei "Ninja Assassin" die "Einheit von Geist und Seele". Die Athletik zündet nicht im Kino, federt weder zurück ins Schauspiel und noch in die Choreografie der Kamera. Die mal gefühlsduselige, mal mit optischen Brutalitäten gespickte Story hilft auch mit ihren Episoden und Rückblenden der Dramaturgie nicht weiter. Vordergründig geht es um den fiesen Ozunu-Clan, der No-Future-Kids am Rande der Gesellschaft einsammelt. In seiner faschistoiden Ninja-Schule drillt er sie in totalitärer Fürsorge, Härte und Rache, jenseits von Mitgefühl und Liebe. Die Todesdienste der abgerichteten Zöglinge werden an gut zahlende Privatleute und rivalisierende Mächte und Konzerne vermarktet. Wäre da nicht Raizos erste Liebe im Kloster-Waisen-Internat, eine großherzige Pretty-Ninja-Freundin, die später mitleidlos vom Clan hingerichtet wird. So entsteht eine kleine distanzierte asiatische Amour fou. Raizo wird zum Korean Achill, zum emotional instabilen Auftragskiller, zum lauwarmen (gar nicht eiskalten) Engel, der im Gedenken an seine ermordete Patrokline ein nach Menschlichkeit schmachtendes Eigenleben sucht.

Vom aristokratischen Kampf auf den proletarischen Metzelmodus umgeschaltet

Aus europäischer Sicht kann das Ergebnis nur als fades und teilweise fehlbesetztes Machwerk bezeichnet werden - die Übertragung des Mythos der lautlosen japanischen Ninja-Killer mit ihren sausenden Schwertern und zischenden Shuriken in die globale Gegenwart einer hinter der ziemlich netten Agentin Mika Coretti (Naomie Harris) herballernden Europol-Truppe in Berlin - sie funktioniert nicht so recht. Es fehlt der Übergang zwischen den Kulturen und zwischen den lauten und den leisen Tönen, vor allem aber ein ausgearbeiteter verschwörungstheoretischer Plot und die schauspielerische Intensität der Stars, wie sie in "V wie Vendetta" von Natalie Portman bis Hugo Weaving erreicht wurde.

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(Bild: Warner Bros.)

Zu vermissen ist auch die Eleganz der unwahrscheinlichen Kampfszenen von "Matrix" und den klassischen Shaolin- und Kung-Fu-Montagen. Statt dessen gibt es bis zum finalen Show Down einen naturalistisch-stupiden CG-Splatter-Battle-Style, der vom aristokratischen Kampf auf den proletarischen Metzelmodus umschaltet. So viel blutrünstiges Boum-Boum-Slash ekelte sogar routinierte Filmkritikerinnen aus der Pressevorschau. Joel Silver träumt dagegen von der "Erlösung" des Martial-Arts-Kino aus der B-Film-Nische in den USA. Er will dem Mainstream- und Independent-Import aus China, Hongkong und Korea etwas entgegensetzen. Das wäre doch eine mediale Kulturrevolution. Fragt sich nur, wie?