Einseitige und konfliktscheue Nobelpreisvergabe

Warum teilt sich der kolumbianische Präsident den Preis nicht mit der FARC?

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Angesichts der Tatsache, dass sogar Bundeskanzlerin Merkel als Kandidatin für den Friedensnobelpreis gehandelt wurde, wobei niemand sagen konnte, wofür eigentlich, ist die Entscheidung, den kolumbianischen Präsidenten damit zu bedenken, so schlecht nicht. Schließlich wird damit der Focus auf einen jahrzehntelangen Konflikt gelenkt, der noch nicht vorbei ist.

Das liegt nicht nur daran, dass eine knappe Mehrheit in Kolumbien am Wochenende gegen den Vertrag votiert hat, sondern macht deutlich, dass noch immer eine starke Rechte im Land aktiv ist und auch Unterstützung in der Bevölkerung hat, die die Guerilla und die sozialen Proteste am liebsten repressiv mit der Zerschlagung der Bewegungen lösen wollen. Darin haben die herrschenden Kreise Kolumbiens Erfahrung.

Die FARC hat sich schließlich erst gegründet, weil immer mehr politisch engagierte Landarbeiter und Gewerkschafter ermordet worden waren. Als Mitte der 1980er schon einmal ein Versuch der Guerilla gestartet wurde, sich in den politischen Prozess auf friedliche Weise einzubringen, wurde die von der FARC gegründete Partei Union Patrotico mit Terror zerschlagen. Einfache Mitglieder, Zeitungsverkäufer, Besucher von Veranstaltungen bis hin zum Präsidentschaftskandidaten wurden ermordet.

Daher ist es kein gutes Zeichen, wenn sich nach der knappen Ablehnung des Friedensabkommens der kolumbianische Präsident mit den harten Rechten um Uribe treffen will. Das sind die Sachverwalter der Großgrundbesitzer und ihrer Todesschwadronen. Sie wollen immer noch ein System der Ausbeutung und Ungleichheit dadurch perpetuieren, indem sie die Träger der sozialen Proteste ausschalten wollen.

Santos war lange Zeit ein Exponent der extremen Rechten

Doch es soll ein Kompromiss mit den Rechten sein, die sich bisher dagegen sträuben. Präsident Santos dürfte es nicht schwer verfallen, bei Nachverhandlungen zur Rettung des Friedensabkommens diesen Rechten Zugeständnisse zu machen. Er kommt schließlich aus diesen Kreisen, war lange Zeit auch ein Vertreter einer Politik der Repression gegen Guerilla und die sozialen Bewegungen in Kolumbien, er war auch als Verteidigungsminister unter Präsident Uribe an deren Menschenrechtsverletzungen beteiligt.

Wenn jetzt der Druck auf die FARC zunimmt, noch mehr Forderungen der Rechten zu akzeptieren, um das Abkommen zu retten, wäre das angesichts der bekannten mörderischen Traditionen der kolumbianischen Oberschicht und ihrer Schwadronen nicht nur für sie, sondern auch für die Aktivisten der sozialen Bewegungen lebensgefährlich. Daher ist umso unverständlicher, dass das Nobelpreiskomitee den Preis nicht geteilt hat.

Neben Santos hätte die FARC die andere Hälfte verdient. Schließlich hat sie viel mehr zu verlieren, wenn sie sich auf ein Abkommen einlässt, das dann nicht umgesetzt wird. Die Erinnerung an die Massaker gegen die UP in den 1980er Jahren zeigen, was sie riskieren, wenn sie sich auf Frieden mit der Oligarchie einlassen. Eine Teilung des Preises hätte auch in Kolumbien als Signal verstanden werden können, dass nicht nur die Regierung, sondern auch die andere Seite bei den Verhandlungen unter internationaler Aufmerksamkeit steht.

Das verhindert im Zweifel nicht unbedingt den Terror der Todesschwadronen. Doch es wäre ein Signal gewesen, dass bei den Verhandlungen zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung zwei gleichberechtigte Partner gegenübersitzen. Zudem wäre deutlich geworden, dass die Gründe, die zur Bildung der FARC wie auch der weiter bestehenden Guerilla ELN in den zutiefst ungerechten sozialen und politischen Verhältnissen des Landes liegt. Solange sie nicht grundlegend geändert sind, kann von Frieden keine Rede sein.

Gerade dieses Signal wollte das Nobelpreiskomitee aber nicht aussenden. Indem es einseitig nur den kolumbianischen Präsidenten und nicht auch deren Verhandlungspartner auszeichnete, ergriff es auch eindeutig Partei für genau diese Seite.

Politische Vergangenheit der Ausgezeichneten spielt keine Rolle

Dabei hat das Nobelkomitee in der Vergangenheit nach Friedensverhandlungen öfter beide Seiten mit dem Preis ausgezeichnet, beispielsweise den israelischen Ministerpräsidenten Rabin und seinen Vertragspartner auf palästinischer Seite Arafat. Beide wurden aus unterschiedlichen Gründen und von unterschiedlicher Seite für ihre politische Vita kritisiert. Doch ausgezeichnet wurden sie wegen ihrer Rolle im konkreten Friedensprozess. Genau so hätte es auch im Kolumbienkonflikt geschehen müssen.

Natürlich ist bekannt, dass auch die FARC Menschenrechtsverletzungen begangen hat. Dazu hat sie sich in den letzten Wochen auch bekannt und Entschädigung angekündigt. Dass auch Santos in seiner politischen Vita an vielen Menschenrechtsverletzungender kolumbianischen Oligarchie beteiligt war, wird indessen weniger erwähnt.

Hätte auch die FARC die Hälfte des Preises bekommen, hätte das Nobelkomitee die Entscheidung verteidigen müssen, eine Organisation auszuzeichnen, die nach den Anschlägen vom 11.September 2001 völlig willkürlich auf Terrorlisten gesetzt wurde, obwohl sie mit den islamistischen Angriffen nichts zu tun hat. Indem es nun einseitig nur eine Seite im kolumbianischen Konflikt mit den Preis bedachte, setzt es seine bisherige Linie fort. Konfliktscheu, konservativ und immer an Rockzipfel der Mächtigen hängend.