Endlich starke, gewalttätige und psychopathische Frauen ...
... welch ein Erfolg
Rechtzeitig zum Weltfrauentag freut sich in der Süddeutschen Zeitung eine Autorin nicht nur darüber, dass Frauen böse sein dürfen - sie erfreut sich auch an körperlicher und psychischer Gewalt, die durch Frauen ausgeübt wird. Liebe wäre ja auch zu langweilig.
Endlich sind Frauen gut darin, böse zu sein, freut man sich bei der SZ. Und die Autorin macht das auch gleich an "starken Frauen" fest, die Schwächen und Stärken haben, die endlich nicht nur gut und lieb und nett sind, sondern auch mal einem Mann "in die Eier treten", wie der schmerzhafte Tritt in den Intimbereich eines Mannes gerne verbrämt wird. Dabei ist "in die Eier" treten (wenn man davon ausgeht, dass es bei den "Eiern" um die Hoden geht) nichts anderes als Körperverletzung.
Wenn also die ohnehin gewalttätige Frau in "Homeland" einem Mann in jene tritt, dann fragt sich doch mancher, wieso dies nun ein Grund zum Jubeln ist. Zwar ist es in diesem Fall ihr Verfolger, den sie unschädlich macht. Trotzdem ist gerade diese Körperverletzung noch immer eher eine Art "running gag". Unter anderem deshalb, weil Gewalt gegen Männer noch immer den Ruch des "lustigen Weicheis, der eines mit dem Nudelholz abbekommt" hat. Als sei körperliche Gewalt (gerade auch wie im Fall Homeland, von einer Staatsbeamten ausgeübt), lustig, wenn sie sich nur gegen Männer richtet.
Die Autorin findet viele solcher "starken Frauen" – Frauen, die mit Männern ins Bett gehen um diese auszuhorchen z.B. Und sie stellt fest, dass es Zeit werde für solche Frauenbilder. Damit stellt sich auch die Frage, wo die Autorin die letzten vierzig Jahre verbracht hat (mindestens). Denn die geschäftstüchtige skrupellose Frau, die die Männer für sich einspannt und auf ihre Seite zieht, ist nun wahrlich keine Neuigkeit. Seit dem Film Noir, in denen schöne Frauen den Männern die Köpfe verdrehten, sind sie vielmehr fester Bestandteil der Filmwelt. Von (High School) Komödien bis hin zu Thrillern, Krimis oder Seifenopern sind die "Bitches", die fiesen Frauen und Mädchen, allgegenwärtig und intrigieren, prügeln, kratzen, beißen, verleumden und manipulieren.
"Ihr Wahnsinn und ihr Ehrgeiz, ihre Hysterie, ihr Starrsinn und die Art, wie sie sich die blonden Haare aus der Stirn streicht, können unfassbar nerven. Aber es ist toll, dass sie so ist, wie sie ist. Denn Eigenschaften wie sie haben im Fernsehen sonst eher Männer."
Das schreibt die SZ-Autorin, als hätte es Bette Davis und andere nie gegeben. "Wenn Frauen in Film und Fernsehen ihr Leben und das anderer gefährden, machen sie das normalerweise, um ein Baby aus einem brennenden Haus zu retten oder sonst etwas Gutes zu tun" führt sie weiter aus - und unwillkürlich fragt sich der Leser, der die 80er miterlebte, wie denn Figuren wie Alexis Colby, Lucy Ewing oder die gesamte weibliche Intrigenschar aus Denver und Dallas an der Autorin vorbeigegangen sein könnten.
Gerade diese beiden bekannten Seifenopern lebten von ihren Frauenfiguren, die alles andere als lieb und nett waren. Da wurde auf die neue Frau des Exmannes geschossen damit es zu einer Fehlgeburt kommt; der Lehrer einer Vergewaltigung beschuldigt, die Männer wurden als Sprungbrett für die Karriere benutzt bzw. als dauerhafte finanzielle Rückversicherung und auch die eigene Tante wurde entführt und durch eine Doppelgängerin ersetzt, um an das Vermögen eben jener Tante zu kommen.
Doch all dies könnte man durch "na ja, vielleicht ist sie zu jung um diese Serien zu kennen" zur Seite fegen. Wäre da nicht das leichte Grummeln im Magen, wenn es plötzlich so zu bejubeln ist, wie Menschen aus Machtgier und Ehrgeiz andere Menschen manipulieren, betrügen oder gar der Vernichtung preisgeben.
Keine Frage, die ambivalenten Figuren in Serien sind interessanter als die "reinherzigen guten Personen", doch trotzdem bleibt offen, wieso Gewalttätigkeit, plötzlich als tolle neue Eigenschaft der Frau angesehen wird. Drogensucht und Teamunfähigkeit, Hysterie und Gewalt in Ausübung des Dienstes ... die ach so starke neue Frau in "Homeland" sollte, so schreibt die Autorin, doch hoffentlich nicht in alte Rollenklischees zurückfallen, wenn sie den, den sie bisher für den Feind hielt, jetzt plötzlich vom Verdacht reinwaschen will, nur weil es Sex mit ihm gab. Sicher, für Liebe oder gar Einsicht gibt es keinen Platz in der schönen neuen Welt der starken Frauenfiguren. Einen Menschen aus Starrsinn vernichten: Kein Problem. Einem Menschen aus Liebe helfen: Oh bitte nicht!