Energiepolitik: Was wollen die Parteien (3)
Die SPD steht zum Einspeisevorrang, will aber Energiekonzerne in die Koordination der Energiewende einbeziehen und drückt sich vor klaren Aussagen zur Kohle
Auch die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm ähnlich wie die Linkspartei ein paar (wenige) Gedanken zum Strompreis gemacht. Neben dem allgemeinen Bekenntnis, der Strom müsse bezahlbar bleiben, das in vergleichbarer Form auch bei den Unionsparteien zu finden ist und immer mit der Unterstellung verbunden wird, die Energiewende sei mehr oder wenig allein Schuld an der rapiden Verteuerung, findet sich auch Konkretes:
Die Stromsteuer muss spürbar gesenkt werden. Wir wollen eine von der Steuer weitestgehend befreite Grundversorgung einführen. Dies kann durch erhöhte Einnahmen aus der Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage finanziert werden.
Das hört sich vernünftig an, wird aber für sich genommen Privathaushalte und kleine Gewerbetreibende kaum spürbar entlasten. Die Stromsteuer beträgt 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Nun macht das SPD-Wahlprogramm keine Angaben darüber, was die Partei als Grundversorgung ansieht. Aber gehen wir einmal von 500 Kilowattstunden aus. Das läge im Rahmen dessen, was gewöhnlich als Grundversorgung diskutiert wird. Dann liefe die SPD-Forderung auf eine jährliche Ersparnis von rund zehn Euro pro Stromkunde hinaus. Das ist nicht gerade der große Sprung nach vorne in der Strompreisreduktion.
Ansonsten hat die SPD in ihrem Programm zunächst einmal viel Geklingel und Standortnationalismus zu bieten: Die Welt schaut auf Deutschland, internationaler Wettbewerb, Konkurrenzfähigkeit, Zukunftsmärkte erschließen und ähnliches. Außerdem ist auch einiges ziemlich Unverständliches darunter, bei dem man den Eindruck bekommt, die Kommunikation mit den Werbetextern könnte missglückt sein:
Chancen und Perspektiven der Energiewende sind allerdings gefährdet. Die Grundpfeiler unserer Energieversorgung – Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit – geraten ins Wanken. Dabei bilden diese das Fundament für das Wirtschafts- und Sozialmodell in unserem Land.
Wie denn nun? Unsere bisherige Energieversorgung war umweltverträglich? Und dies ist gar das Fundament unseres Sozialmodells? Ob das die Menschen in der Lausitz und im Rheinland, deren Dörfer dem Braunkohletagebau weichen müssen, auch so sehen?
Aber es wird doch noch etwas verständlicher und sogar konkreter. Hier ein Überblick über die SPD-Forderungen:
Wir wollen (…)
- die Bezahlbarkeit der Energiewende gewährleisten und weitere Belastungen für die produzierende Wirtschaft und die privaten Haushalte vermeiden, etwa durch die Senkung der Stromsteuer;
- die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere der energieintensiven Industrie, erhalten;
- den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Umsetzung von Maßnahmen für höhere Energieeffizienz vorantreiben, indem wir: 40 bis 45 Prozent Stromanteil durch Erneuerbare Energien und 25 Prozent durch Kraft-Wärme-Kopplung, insbesondere durch den Ausbau der Fernwärme bis zum Jahr 2020, anstreben und bis 2030 75 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewinnen wollen;
- 20 Prozent des Wärmebedarfs durch Erneuerbare Energien decken;
- eine für Mieter bezahlbare energetische Sanierung von Gebäuden fördern;
Das sind erfreulicherweise ein paar feste Zielvorgaben, wie sie in ähnlicher Form auch bei Grünen und der Linkspartei zu finden sind, vor denen sich das Unionsprogramm jedoch drückt. 40 bis 45 Prozent Stromanteil bis 2020 liegt etwas unterhalb des derzeitigen Trends, ist aber mehr, als im Energieprogramm der scheidenden Bundesregierung vorgesehen.
Ansonsten darf man das Bekenntnis zur Exportindustrie wohl so interpretieren, dass die SPD – anders als die kleinen Oppositionsparteien – die von Schwarzgelb beschlossene Ausweitung der Industrieprivilegien nicht zurücknehmen will. Ihr Spitzenkandidat hatte sich ja bereits entsprechend ablehnend geäußert.
Und wie geht es mit dem EEG weiter?
Das im Jahr 2000 von der rot-grünen Koalition beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat zu einem international beispiellosen Ausbau der Erneuerbaren Energien geführt (…). Allerdings hat die Überförderung in einigen Bereichen auch zu einem drastischen Anstieg der EEG-Umlage und damit auch zu einem Anstieg der Strompreise geführt. Umgekehrt wurden die gesunkenen Strompreise auf der Beschaffungsseite, die auf die hohe Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zurückzuführen sind, von den Energieversorgern nicht oder kaum an die Stromverbraucher weitergegeben. (...)
Eine weitere Begleiterscheinung des Erfolgs der Erneuerbaren Energien sind die Konsequenzen für konventionelle Kraftwerke. Aufgrund des Ausbaus der Erneuerbaren Energien sinken die Betriebsstunden von konventionellen Kraftwerken und damit deren Wirtschaftlichkeit. Deshalb werden keine neuen Kraftwerke gebaut und bestehende Anlagen stillgelegt. Das birgt Risiken für die Versorgungssicherheit. Denn solange Erneuerbare Energien nicht in der Lage sind, Strom bedarfsgerecht zu liefern, müssen auch weiterhin hocheffiziente regelbare Kraftwerke zur Verfügung stehen.
Letzteres hieße eigentlich, dass die SPD vor allem für Gaskraftwerke eintreten und insbesondere neue Braunkohlekraftwerke ablehnen müsste. Aus ihrer Regierungspraxis in NRW und Brandenburg ist aber bekannt, dass dieser Passus so nicht gemeint sein kann. Dort unterstützen die Landesparteien nahezu bedingungslos die langfristige Nutzung der Braunkohle.
Wir wollen eine grundlegende Reform des EEG, die den Ausbau langfristig und berechenbar sichert, die konsequent die Kosten begrenzt und die Strompreise im Blick hat. Deshalb muss das EEG so ausgerichtet werden, dass eine Fehlsteuerung zukünftig ausgeschlossen ist. Der Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien ist weiterhin erforderlich. Technischer Fortschritt und Innovationen im Bereich der Erneuerbaren Energien werden dazu führen, dass die Herstellungskosten mittel- bis langfristig sinken. Dies ermöglicht, die Einspeisevergütung schrittweise zu reduzieren.
Am Einspeisevorrang wird also festgehalten, an der Einspeisevergütung nur bedingt. Ähnlich wie bei der CDU, aber bei weitem nicht so ausgeprägt gibt es eine Betonung des Marktes. Das heißt, die SPD hat ein offenes Ohr für die Forderung, die Betreiber von Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen sollen ihren Strom selbst vermarkten, treibt dies aber nicht so energisch wie die Union voran.
Etwas sehr Sinnvolles soll nicht unerwähnt bleiben:
Mit ihrem stetig wachsenden Anteil an der Stromerzeugung müssen die Erneuerbaren Energien mehr Verantwortung für eine stabile Versorgung übernehmen. Wir wollen Erneuerbare Energien untereinander (z.B. Wind mit Wasser und/oder Biomasse), Erneuerbare Energien und fossile Energieerzeugung sowie Erneuerbare Energien und Verbrauchsmanagement so miteinander verknüpfen, dass Strom bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Erneuerbare Energien müssen und können auch Systemdienstleistungen, wie etwa Blindleistung und Speicherung, bereitstellen.
Der derzeitige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich seinerzeit als Umweltminister der Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 wiederholt für den Bau neuer Kohlekraftwerke ausgesprochen. Auch in NRW und Brandenburg, nicht aber in Schleswig-Holstein, unterstützen regierende Sozialdemokraten den Bau neuer Kohlekraftwerke. Insofern ist es verwunderlich, dass Braunkohle im Wahlprogramm gar nicht und Kohlekraftwerke nur in einer einzigen Aussage erwähnt werden, und zwar in dieser:
Dazu ist der Ausbau der Offshore-Windenergie auch vor der Ostseeküste unverzichtbar. Nur in Windparks auf See können auf regenerativer Basis große Strommengen produziert werden. Wir setzen aber ebenso (noch) auf konventionelle Energieerzeuger, wie Kohle- und Gaskraftwerke, als Brückentechnologie, solange wir sie brauchen.(...)
Zukünftig müssen Kraftwerke entsprechend flexibel einsetzbar sein, um komplementär zu wirken. Dabei sind europäische Kraftwerkskapazitäten zu berücksichtigen.
Wie schon bei der Union werden Offshore-Windparks und Kohlekraftwerke in einem Wort erwähnt. Zudem bezeichnet sie SPD Letztere gar noch als Brückentechnologie. Diesen Begriff hatte vor einigen Jahren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Atomkraftwerke eingeführt, deren Laufzeit sie bekanntlich nach der letzten Bundestagswahl verlängerte, eben diese Begründung nutzend (Einige Monate später machte sie dann im März 2011 eine Kehrtwende, nach dem es im japanischen Fukushima in drei Reaktoren zur Kernschmelze gekommen war.)
Im übrigen ist die Aussage, nur auf See könnten große Strommengen auf regenerativer Basis erzeugt werden, ganz offensichtlicher Unsinn. 2012 deckten die Erneuerbaren bereits ein rundes Viertel des deutschen Strombedarfs. Der Anteil der Offshore-Windparks war daran verschwindend gering. Selbst wenn das Ausbautempo auf See sich beschleunigen sollte, wird es noch mehrere Jahre dauern, bis auch nur der Zuwachs dort in ähnliche Größenordnungen vorstößt, wie sie für Windkraft an Land und für Fotovoltaik bisher die Regel waren. Ob der Gesamtbeitrag der Offshore-Windparks jemals an den von Fotovoltaik und Onshore-Wind heranreichen wird, ist fraglich. Wahr ist an der obigen Aussage höchstens, dass aufgrund der besseren Windbedingungen auf See der Ertrag pro Anlage höher sein kann. Aber nur, wenn es nicht zu viele technische Ausfälle gibt.
Die SPD tritt einerseits für die Stärkung dezentraler Strukturen mit einem wesentlichen Gestaltungsauftrag für die Kommunen und ihre Unternehmen ein, andererseits gibt es auch deutliche Anzeichen, dass sie sich mehr Zentralisierung wünscht:
Die Energiewende wird nur gelingen, wenn die Bundesregierung eine zentrale Koordinierungsfunktion und ein effektives Management wahrnimmt. Das Nebeneinander von siebzehn Energiekonzepten in Bund und Ländern schadet der Energiewende. Nur ein koordiniertes Vorgehen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wie auch beim Netzausbau erhält Versorgungssicherheit, schafft Investitionssicherheit und bringt die Systemintegration der Erneuerbaren Energien voran. Erforderlich sind deshalb neue Governance-Strukturen, die die Kompetenzen in der Energiepolitik bündeln und eine regelmäßige Koordination und Kooperation zwischen Bund, Ländern und den europäischen Nachbarländern institutionalisieren.(...)
Im neu zu schaffenden Energieministerium ist ein „Deutscher Energie-Rat” einzurichten, der die Abstimmungsprozesse zwischen Bund, Ländern und Kommunen unter Einbindung von Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft institutionalisiert und eine kontinuierliche Zusammenarbeit und Abstimmung sicherstellt. Aufgrund der technologischen Eigenschaften der Erneuerbaren Energien und der Liberalisierung der Energiemärkte verbindet sich die Energiewende mit einer deutlichen Dezentralisierung der Energieversorgungsstrukturen.
Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es sicherlich Bedarf, die Pläne der Bundesländer besser zu koordinieren. Fraglich ist allerdings, ob dafür die Kompetenzen der Bundesregierung gestärkt werden müssen. Ein Bundestagsausschuss "Energie" und ein Masterplan Energiewende, der jährlich fortzuentwickeln ist, wie von der SPD gefordert, können vielleicht Sinn machen. Letztendlich wird aber vieles davon abhängen, ob wirklich eine sachliche Debatte möglich ist, wenn die Energiekonzerne in die Koordination einbezogen werden. Immerhin sind diese in der Vergangenheit nicht unbedingt durch demokratisches und transparentes Verhalten aufgefallen.
Wenig Vertrauen in die vorgeschlagenen Gremien wecken da die Vorstellungen, die die SPD vor allem mit Teilhabe verbindet:
Es geht auch um die aktive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in die Gestaltung des Gemeinwesens und ihre materielle Teilhabe am technologischen Fortschritt. Investive Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger auf Zukunftsmärkten und Infrastrukturen mit moderaten Renditemöglichkeiten (z.B. im Bereich Energiewende) können Akzeptanz und Identifikation stärken und sollten ausgebaut werden.
Und unter der Überschrift Investitionen fördern. Teilhabe ermöglichen:
Regionale „Bürger-Fonds” sollen den Erwerb von Anteilen an Infrastrukturen ermöglichen. Schon bestehende Beteiligungen wie „Bürgerwindparks” und Energiegenossenschaften sollten substanziell ausgebaut und auch auf leitungsgebundene Infrastrukturen – etwa im Bereich der Strom- und Breitbandnetze – Anwendung finden. Netze in Bürgerhand stärken die öffentliche Akzeptanz von Infrastruktureinrichtungen.
Teilhabe, in den Diskursen von Bürgerinitiativen und ähnlicher Organisationen meist als demokratische Mitbestimmung verstanden, meint für die Sozialdemokratie also Investitionsmöglichkeiten. Und während in Hamburg und Berlin starke Volksentscheid-Initiativen Netze in Bürgerhand fordern und damit demokratisch kontrollierte Stadtwerke meinen, schweben der SPD bei diesem Slogan offensichtlich eher Beteiligungsgesellschaften vor.