Erster Schritt zur Bankenunion
Die Finanzminister haben sich darauf geeinigt, dass nur große Banken von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt werden
Bevor der EU-Gipfel am späten Donnerstag begonnen hat, hatten sich die EU-Finanzminister in der Nacht zuvor nun doch noch auf eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht geeinigt. Wie es im Strategiepapier von EU-Ratspräsident angedacht war, soll sie erst Anfang 2014 "voll funktionsfähig" sein ( Van Rompuy will Eurobonds und Entmachtung der Parlamente). Allseits wird behauptet, dass sich Deutschland durchgesetzt habe. Doch man kann viel eher von einem Mittelweg und Kompromiss sprechen.
Anders als von Ländern wie Frankreich gefordert, werden nun nicht alle 6000 Banken überwacht, womit sich Deutschland durchgesetzt hat. Das gilt auch was den Start angeht, denn Länder wie Frankreich und vor allem Spanien wollten die Aufsicht am liebsten schon zum kommenden Jahreswechsel durchsetzen. Schließlich ist die Aufsicht die Voraussetzung dafür, dass zum Beispiel marode spanische Banken direkten Zugriff auf den dauerhaften Europäischen Rettungsfonds (ESM) erhalten.
Europäische Zentralbank als zentrale Banken-Aufseher
Obwohl das Land für sein abstürzendes Bankensystem deutlich mehr Geld benötigt, hat es nur 39,5 Milliarden Euro beantragt, damit die Staatsverschuldung nicht noch stärker ansteigt. Sie ist wegen der Bankenrettung schon auf einen neuen Rekordwert von fast 818 Milliarden Euro gestiegen, das sind gut 77 Prozent der Wirtschaftsleistung. Da die Aufsicht nicht schnell kommt, muss nachgefordert werden. Das steht schon jetzt fest, weil neue Verstaatlichungen von Geldinstituten anstehen.
Allerdings wird die Europäische Zentralbank (EZB) nun doch zentraler Banken-Aufseher, womit sich Frankreich durchgesetzt hat. Damit wird die eigentliche Aufgabe deutlich ausgeweitet und ihre eigentliche Aufgabe, für Geldwertstabilität zu sorgen, wird ebenfalls aufgeweicht. Das hatte Frankreich auch immer wieder gefordert. Damit der EZB die Arbeit aber nicht vollends über die Ohren wächst, sollen sie nur die Aufsicht über die großen, wichtigen, also "systemrelevanten" Banken übernehmen (etwa 200).
Gemeint sind Geldinstitute mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro. Die EZB übernimmt auch die Aufsicht, wenn die Bilanzsumme einer Bank 20 Prozent der Wirtschaftskraft des Heimatlandes übersteigt. Sie soll auch in begründeten Fällen – bei Banken, die mit Steuergeldern wie in Spanien gestützt werden – die Aufsicht an sich ziehen können.
Damit sei der erste Schritt zu Bankenunion gemacht. EU‑Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der auch für die Finanzmarktregulierung zuständig ist, sprach von einer "historischen Einigung" und nannte sie ein "fundamentales Element für die Finanzstabilität in Europa". Allerdings ist es mit der Vermischung von Aufgaben bei der EZB so eine Sache. Schließlich gibt es zwischen Geldwertstabilität und Stabilität des Finanzsektors Spannungsfelder. So kann eine Zinserhöhung dazu führen, dass beaufsichtigte Banken auf Absturzkurs gehen. So besteht die Gefahr, dass die EZB die Zinsen in diesen Fällen niedriger hält, obwohl Inflationsgefahren eigentlich für einen höheren Leitzins sprechen.
Im Notfall "unbegrenzt" Anleihen
Nun soll es aber eine Trennung zwischen den beiden Aufgaben innerhalb der EZB geben, weshalb ein eigenes Aufsichtsgremium geschaffen werden soll. Dessen Chef wird nicht von der EZB bestimmt, wie es die EU-Kommission geplant hatte. Der Chef der Aufsichtsabteilung soll von den Regierungen bestimmt werden. Die vier Zentralbanker, die mit den nationalen Aufsehern dieses Gremium bilden, sollen in der EZB nichts mit Geldpolitik zu tun haben. Kommt es zur Uneinigkeit zwischen den beiden Funktionen, welche die EZB zukünftig haben soll, soll ein zusätzliches Schlichtungsgremium entscheiden.
Klar ist, dass die Politisierung der Zentralbank vorangeht. Längst hat die EZB in der Krise auf Druck der Politik umstrittene Maßnahmen ergriffen und macht auf mit Zinspolitik auch Konjunkturpolitik. Obwohl die Inflationsrate im gesamten zurückliegenden Jahr zum Teil deutlich über dem festgelegten Ziel von 2% lag, wurde der Leitzins sogar auf das Rekordtief von 0,75% gesenkt. Zudem ist noch immer schwer umstritten, ob die Zentralbank erneut Staatsanleihen abstürzender Euroländer aufkaufen soll. Denn das ist nichts anderes, als inflationstreibend die Notenpresse wieder anzuwerfen.
Im Fall Griechenlands, Irlands und Portugals konnten die Zinsen nicht entscheidend gesenkt werden, um den Gang unter den Rettungsschirm zu vermeiden. Obwohl sich die Bundesbank verweigert, hat EZB-Präsident Mario Draghi sogar die Bereitschaft erklärt, im Notfall "unbegrenzt" Anleihen zu kaufen. Allerdings soll dafür ebenfalls ein Rettungsantrag gestellt werden, um zusätzliche Kontrolle über das Land zu erhalten. Wie sich in Griechenland aber gezeigt hat, ist die Frage, ob damit aber die Probleme nicht noch weiter zugespitzt werden.