EuGH: Google ist für Suchergebnisse auf von Dritten legal veröffentlichten Internetseiten verantwortlich
EU-Datenschutzrichtline von 1995 gewährt Recht zum Vergessenwerden
Der Europäische Gerichtshof hat heute entschieden, dass Personen unter bestimmten Voraussetzungen die Entfernung des Links aus der Ergebnisliste einer Google-Suche nach ihrem Namen verlangen können. Beschwert hatte sich ein stolzer Spanier, der unglücklich darüber war, dass eine Zeitung von 1998 noch immer über eine inzwischen beendete Grundstückspfändung zu seinen Lasten informierte. Während das im Internet veröffentlichte Archiv der Zeitung offenbar auch nach spanischem Recht Bestand hat und daher nicht angegangen werden kann, sah die spanische Datenschutzbehörde die Suchmaschine Google in der Pflicht.
Nach Ansicht des EuGH verstößt Google mit Preisgabe dieses Suchergebnisses gegen die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Der Suchmaschinenbetreiber ist verantwortlich, da er über die Zwecke und Mittel einer Verarbeitung von Daten im Sinne der Richtlinie entscheidet. Der Betreiber einer Suchmaschine „erhebt Daten“ im Sinne der Richtlinie, indem er automatisch, kontinuierlich und systematisch im Internet veröffentlichte Informationen aufspürt, die er dann mit seinen Indexierprogrammen „ausliest“, „speichert“ und „organisiert“, auf seinen Servern „aufbewahrt“ und gegebenenfalls in Form von Ergebnislisten an seine Nutzer „weitergibt“ und diesen „bereitstellt“.
Eine hierdurch begründete Verantwortung kann dann zu Unterlassungspflichten führen, wenn der betreffende Name oder die betreffenden Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden, gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung dort als solche rechtmäßig ist. Wann Daten konkret zu sensibel für ein Suchmaschinenergebnis sind, muss im Einzelfall im Wege der Abwägung festgestellt werden, wobei ausdrücklich auch Zeitablauf ein Kriterium sein kann. Google ist nunmehr verpflichtet, auf Antrag eine gewissenhafte Prüfung vorzunehmen und kann ggf. von den Behörden zur Unterlassung verpflichtet werden - zumindest im europäischen Raum.
Die Entscheidung dürfte eine Flut aufgestauter Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen und damit den juristischen Arbeitsmarkt beleben. Während es sehr nachvollziehbare Bedürfnisse für Löschung von Suchmaschinenenergebnissen gibt, etwa anonym betriebene Hass-Seiten mit sensiblen Informationen wie Patientendaten, Intimfotos, Tagebüchern etc., war das das Anliegen des Betroffenen eher trivial. So mag die zurückliegende Grundstückspfändung peinlich gewesen sein, sie war aber nun einmal öffentlich und wurde durch diese Entscheidung nun so berühmt wie Barbra Streisands Behausung. Damit gibt der EuGH dem Persönlichkeitsrecht in einem bemerkenswert weiten Umfang den Vorzug vor dem allgemeinen Informationsinteresse.
Politisch ist anzumerken, dass die Richtlinie aus den 1990er Jahren stammt, als es Google noch gar nicht gab. Würde man heute oder gar unter Geltung von TTIP versuchen, das Geschäftsmodell des inzwischen mächtigsten Konzerns der Welt im Wege der Gesetzgebung zu beschneiden, wären die Widerstände der Lobby oder drohender Schadensersatzszenarien kaum überwindbar.