Europäische Zentralbank flutet Geldmarkt

Die Europäische Zentralbank pumpt den Rekordbetrag von mehr als 440 Milliarden Euro in den Markt und das auch noch für ein Jahr.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) holt zum großen Rundumschlag aus und lockert die Geldpolitik weiter und schwenkt damit noch stärker auf den Kurs der US-Notenbank ein. Hatte sie zu Beginn der Krise noch dreimonatige Tender vergeben, wurde die Laufzeit später auf sechs Monate angehoben. Nun wurden mit 442 Milliarden Euro alle Schleusen geöffnet.

Alle Wünsche der Banken wurden damit ausnahmslos erfüllt. Sie können sich für 1 % Zinsen unbegrenzt viel Geld leihen und das erstmals für ein ganzes Jahr. Mehr als 1100 Banken hatten sich an EZB gewandt, die großzügig damit allen Wünschen entsprochen hat. Damit fiel die Zuteilung deutlich höher aus, als allgemein erwartet worden war. Schließlich wurden bisher von der Zentralbank insgesamt rund 600 Milliarden Euro für die Refinanzierungsgeschäfte vergeben. Nun mit einem Schlag mit eben fast dieser Gesamtsumme den Markt so richtig mit Geld zu fluten, zeigt den Umfang der Maßnahme.

Es zeigt sich darin aber auch die Hoffnungslosigkeit der Zentralbank, die mit allen Mitteln versucht, die Banken dazu zu bringen, das Geld an die Realwirtschaft und die Verbraucher weiter zu geben. Doch dafür gibt es keine Gewähr. Vielmehr dürften viele Banken den Sirenengesängen, die zum Gesang vom baldigen Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise angestimmt haben, misstrauen. Gerade hatte die realistische Prognose der Weltbank die Börsen wieder einmal absacken lassen, weil sie einen weiteren Konjunktureinbruch vorhersagte. Letztlich geht auch die EZB von einem Andauern der Krise aus, sonst hätte sie den Tender, noch dazu in dieser Höhe, nicht für ein Jahr anlegt. Doch dürften viele Banken das frische Geld wohl eher als Liquiditätspolster benutzen und es wieder bei der Zentralbank anlegen, womit sie anzeigen, wie unsicher die Finanzwirtschaft die eigene Verfasstheit einschätzt.

Weil das allgemein befürchtet wird, werden die Stimmen lauter, die fordern, die Banken zu zwingen, das Geld auch nach unten durchzureichen. Bundesbank-Präsident Axel Weber drohte mit einer härteren Gangart, sollten die Banken die Zinssenkungen nicht weitergeben. Sie müssten die günstige und hohe Refinanzierung bei der Zentralbank in günstige Kredite ummünzen. "Sollten die Maßnahmen der Notenbanken am Deleveraging der Banken scheitern, dann werden die Notenbanken die Banken umgehen müssen und die Wirtschaft direkt stützen, was ich derzeit noch nicht für nötig halte." Der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte: "In Deutschland gibt es keinen Grund, Kredite zu verweigern, weil angeblich nicht genügend Kapital vorhanden ist."

Der unglückliche Steinbrück musste gestern vom Kabinett seinen ruinösen Haushaltsentwurf für 2010 verabschieden lassen, der eine Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro vorsieht: die höchste Nettokreditaufnahme in der Geschichte der Bundesrepublik. Antizyklisch müsse Geld ausgegeben werden und das funktioniere nur über neue Schulden. "Diese Republik erfährt gerade die größte Wirtschaftskrise seit 60 Jahren und wir haben es zu tun mit einem Konjunktureinbruch von minus 6 %. Das ist fast das Sechsfache mehr als das, was wir beim bisher schlimmsten Konjunktureinbruch 1975 hatten", sagte Steinbrück. Das wirbele alle "Haushaltskennziffern durcheinander und führt zu einem Verschuldensniveau, das in der Tat einmalig ist und hoffentlich auch einmalig bleibt". Von den Milliarden, die im Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate versenkt wurden, spricht er natürlich nicht. Stattdessen sprach er von Maßnahmen wie der Abwrackprämie, mit der Kaufkraft geschaffen worden sei und die Konjunktur gestützt würde. Einsparungen oder Steuersenkungen kämen nicht in Frage, weil dadurch die Krise weiter verschärft würde, behauptete der SPD-Politiker (noch).

Doch wie in Spanien dürften nach den Wahlen im Herbst auch in Deutschland die Steuererhöhungen blühen, schließlich müssen all die Maßnahmen finanziert werden. Der Präsident des Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ( DIW) hat das derweil unmissverständlich klar gestellt. Er fragte sich, warum die Politik nicht mehr Ehrlichkeit an den Tag lege. "Mittelfristig wird sich die Regierung einer Anhebung der Mehrwertsteuer nicht entziehen können", sagte Klaus Zimmermann. Die Wähler würden getäuscht. Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard meinte, der Glaube an eine Selbstfinanzierung über mehr Wachstum sei "naiv".

In der Union scheint man allerdings bereits über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nachzudenken, will die Bild-Zeitung in Erfahrung gebracht haben. So wird überlegt, den erniedrigten Steuersatz von 7 Prozent, der beispielsweise für Lebensmittel gilt, auf 19 Prozent anzuheben oder eine einheitliche Mehrwertsteuer von 18 Prozent anzusetzen. Beides trifft Geringverdiener am stärksten. Umgehend wurde der Bild-Bericht vond er CDU dementiert. "Diese Meldung ist absoluter Unsinn. CDU und CSU werden die Menschen entlasten und nicht belasten", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Der Bundesverband deutscher Banken erwartet, dass die deutsche Wirtschaft die Krise frühestens Ende 2015 überwunden haben wird. Im neuen Konjunkturbericht des Verbands heißt es: "Vielmehr wird die tiefe Rezession wegen hoher Überkapazitäten in der Industrie und einer deutlich gesunkenen Arbeitskräftenachfrage sowohl bei der Investitionstätigkeit als auch am Arbeitsmarkt längere Zeit nachwirken. Dies wird eine mögliche konjunkturelle Erholung empfindlich beeinträchtigen." Sorgen macht auch dem Verband die steigende Verschuldung: "In Deutschland droht die Staatsverschuldung bis Ende nächsten Jahres auf rund 80 % des Bruttoinlandsprodukts zu steigen – knapp 15 Prozentpunkte mehr als im Jahre 2008. Um hier gegenzusteuern, sei eine aktive Konsolidierungspolitik unverzichtbar".