Extreme Strompreise in Spanien
Nun ermittelt auch die Staatsanwaltschaft, dabei zahlen spanische Verbraucher auch dafür, dass Frankreichs Atomstromnetz gestützt wird
Ganz Europa bibbert in der Kälte und die macht nicht einmal vor Spaniens Mittelmeerküste halt. Im sonst warmen Murcia oder Valencia blieben die Temperaturen zum Teil sogar tagsüber unter dem Gefrierpunkt, ganze Gemeinden waren eingeschneit, Hochgeschwindigkeitszüge steckten fest und Fahrzeuge auf blockierten Autobahnen. Heizen können viele darbende Familien bei einer Arbeitslosigkeit von 19,2% nicht, schon gar nicht, wenn Preise neue Rekordstände erreichen.
Nach dem Tarifsystem, das die konservative Regierung durchgedrückt hat, berechnen Stromanbieter ihre Tarife stündlich. Der internationale Strompreis schlägt direkt durch und deshalb explodieren Stromrechnungen im Januar. Welcher Preis für "Luz" (Licht), wie man in Spanien Strom nennt, gerade über neue digitale Zähler berechnet wird, bekommt der normale Verbraucher nicht mit.
Fast 100 Euro pro Megawattstunde
In knapp neun Millionen Haushalten finden sich "Smart Meter", die seit 2010 eingebaut werden. Bis 2019 sollen alle Haushalte damit ausgestattet sein. Angepriesen wurde dies unter anderem mit dem Slogan: "Die Waschmaschine nachts." Denn dann könnten die Kunden billigeren Strom beziehen und angeblich Geld sparen, hatten die Konservativen erklärt. Nebenbei verärgert man beim Schleudern in hellhörigen Häusern aber auch noch die Nachbarn.
In der Kältewelle ist der Großhandelspreis für Strom aber zum Teil auf fast 100 Euro pro Megawattstunde gestiegen und davon werden 40% direkt an die Verbraucher weitergegeben. Sogar am Wochenende, wenn deutlich weniger Strom verbraucht wird, fällt er praktisch nicht unter 80 Euro.
Vergleicht man dies mit dem schon teuren Januar 2016, beträgt der Anstieg fast 50%. Spanien ist eines der EU-Länder, in denen der Strompreis in den letzten Jahren massiv gestiegen ist. Zahlte ein durchschnittlicher Haushalt mittlerer Größe nach Angaben von Eurostat 2007 vor der Krise noch 12 Cent pro Kilowattstunde, waren es 2015 schon mehr als 23 Cent.
Im Strom-Report 2015 heißt es:
"In den letzten 10 Jahren sind die Strompreise für Verbraucher im europäischen Durchschnitt um 56% gestiegen. Die größten Veränderungen hatten die Menschen in Griechenland [157%], Großbritannien [142%] und Spanien [110%] zu bewältigen. Nur sehr leicht stiegen die Preise in den Niederlanden [0,1%].“
Im Strom-Report sind die neuen massiven Erhöhungen in Spanien 2016 noch nicht berücksichtigt, geschweige denn der massive Anstieg im Januar. Der Preis hat sich in acht Jahren verdoppelt, in denen die Löhne deutlich gesunken sind, zahllose Menschen arbeitslos wurden und oft keinerlei Einkünfte mehr haben.
Preise werden künstlich in die Höhe getrieben
Verbraucherschützer werfen großen Energieversorgern vor, die Preise künstlich in die Höhe zu treiben, um Gewinne zu steigern. So hat die Vereinte Linke (IU) Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon wegen dauernder Preissteigerungen.
"In einer Phase höchster Nachfrage haben die Versorger die Stromproduktion in Gaskraftwerken gesenkt, um den Strompreis zu erhöhen“, erklärt die IU. Auf hohem Niveau wurde aber umweltschädlich per Kohle Strom produziert. Das hat mit dem absurden Tarifsystem zu tun, das sogar die EU-Kommission kritisiert, wonach sich der Strompreis nach der teuersten Erzeugung richtet, wozu Kohle in Spanien gehört. Neu sind Manipulationen nicht.
2015 wurden Stromerzeuger von der Börsenaufsicht mit 25 Millionen Strafzahlung wegen "betrügerischer Manipulation" verurteilt, weil Wasser in Talsperren nicht gehortet wurde, "um den Preis künstlich zu erhöhen".
Frankreich bezieht Strom aus Spanien
Was in der Debatte meist fehlt, ist, dass das Atomstromland Frankreich seit Wochen auch massiv Strom aus Spanien bezieht. Es hat kaum Reserven und hängt bei Kälte am europäischen Tropf. In Frankreich werden schlecht isolierte Wohnungen meist mit Strom geheizt. Auch Spanien liefert viel Strom über neue Leitungen, um ein kollabierendes Netz beim Nachbarn zu stützen.
Dort hatte man die Tage schon mit Stromausfällen zu kämpfen und der große Energieversorger EDF rief zum Stromsparen auf, um einen Blackout abzuwenden. Spaniens Verbraucher bezahlen also auch die Rechnung für angeblich billigen Atomstrom in Frankreich.
Dort sind marode Atomkraftwerke wegen fehlendem Kühlwasser, Sicherheitsproblemen bei Bauteilen und "Anomalien" bei Sicherheitszertifikaten abgeschaltet. In Frankreich zahlen die Verbraucher mit 16 Cent pro Kilowatt meist einen günstigen Festpreis, der aber, so das Urteil des höchsten Gerichts, sogar unter den Gestehungspreisen liegt.