Fertigmachen zur umfassenden Spanien-Rettung

Die Europäische Zentralbank ist zur Hilfe "bereit", während die Zweifel an spanischen Zahlen wachsen

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Die Gerüchteküche in Madrid kocht seit Dienstag über. Spekuliert wird darüber, ob Spanien am Wochenende den erwarteten Rettungsantrag stellen wird. Neue Nahrung hatten Meldungen in den letzten Tagen gebracht. Am Freitag wurde bekannt, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Beobachtermission nach Madrid schicken wird, weil neben der EU-Kommission auch dem IWF der Haushalt 2013 und die Ergebnisse des Banken-Stresstests spanisch vorkommen. Dass das Bankensystem nach den getricksten, gemogelten und hingebogenen Angaben der US-Beratungsfirma Wyman nur knapp 60 Milliarden Euro benötigen soll, wird immer stärker bezweifelt. Nach Ansicht vieler Experten wurde wie beim Haushalt mit zu optimistischen Prognosen gerechnet. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg befürchtete Thomas Costerg von der Standard Chartered Bank in London sogar, es könne sich um eine "Bilanzkosmetik" handeln.

Als Hinweis auf einen Rettungsantrag wird auch gewertet, dass am späten Freitag der französische Präsident François Hollande und der italienische Ministerpräsident Mario Monti mit dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy in Malta zusammenkommen, um über die Lage Spaniens zu reden. Die Begegnung findet am Rande der ersten Konferenz von zehn Mittelmeer-Anrainerstaaten vor dem Treffen der EU-Finanzminister am Montag in Luxemburg statt. Dort soll über die Krisenländer Griechenland, Spanien und Zypern debattiert werden.

Spanien dementiert weiter die Gerüchte über einen baldigen umfassenden Rettungsantrag. Am späten Donnerstag hat Wirtschaftsminister Luis de Guindos in London gesagt, sein Land müsse nicht gerettet werden: "Es gibt da ein kleines Missverständnis - Spanien muss überhaupt nicht gerettet werden." Niemand nimmt ihm solche Dementis ab. Schließlich hatte die Regierung noch an einem Freitag im Juni erklärt, es werde kein Bankenrettungsantrag gestellt. Schon am Folgetag handelte De Guindos mit den Finanzministern aus, dass Spanien bis zu 100 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds bekommt.

Klare Zeichen kamen am Donnerstag von der Europäischen Zentralbank (EZB). Ihr Präsident Mario Draghi erklärte nach der Sitzung des EZB-Rats: "Wir sind bereit", nun unbegrenzt Anleihen überschuldeter Euro-Länder zu kaufen, um deren Zinsen zu senken. Der Ball liege nun bei der Politik. Draghi sprach Madrid direkt an: "Es ist nun an Spanien zu entscheiden, ob es Hilfe will." Die EZB sei darauf vorbereitet, wenn ein solcher Antrag kommen sollte. Er ist Voraussetzung dafür, um das umstrittene Aufkaufprogramm wieder aufzunehmen, gegen das sich die Bundesbank stemmt.

Spanischer Zentrabankchef zerpflückt die dem Sparhaushalt zugrundeliegenden Zahlen

Wegen der Haushaltslage müsste der Antrag schnell gestellt werden. Schlimmer hätte es für Rajoy kaum kommen können. Doch am Donnerstag hat der von Rajoy kürzlich eingesetzte Zentralbankchef dessen Sparhaushalt 2013 zerpflückt. Diplomatisch nannte Luis Maria Linde die Annahmen "ziemlich optimistisch". Schwer konnte er verbergen, wie ihn die prognostizierte Entwicklung irritiert. Die Regierung geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung 2013 nur um 0,5% schrumpft. Linde wies darauf hin, dass alle Prognosen von 1,5% sprechen.

Wenn die Wirtschaft aber dreimal so stark schrumpft, kann Spanien auch 2013 sein Defizitziel erneut nicht erfüllen. Wie Linde halten auch andere Experten die Einnahmen für zu hoch angesetzt und die Ausgaben zu niedrig. Gerade musste Spanien einräumen, dass auch das Defizitziel 2012 wieder verfehlt wird, auch wenn es Brüssel von einst 4,4% auf 6,3% anhob. Die Ausgaben für Arbeitslose laufen angesichts der Arbeitslosigkeit von 25% aus dem Ruder. Dazu kommen Milliardenverluste bei Banken, die im Rahmen der Bankenrettung verstaatlicht wurden. Der Finanzminister erwartet ein Defizit von 7,4%. Linde kritisiert vor allem, dass Rajoy angesichts vorgezogener Regionalwahlen im Baskenland, Galicien und Katalonien die Renten um 1% erhöhen will. Er legt nahe, sie wie im Nachbarland Portugal zu kürzen.

Erwartet wird angesichts der Haushaltslage, dass Monti und Hollande am Freitag den Spanier drängen, endlich unter den Rettungsschirm zu gehen. Spanien könnte damit die explodierenden Kosten für den Schuldendienst senken, weil es sich mit günstigeren Zinsen aus dem Rettungsfonds refinanzieren könnte. Die Zinskosten haben sich seit 2009 verdoppelt. Schon 2012 war es mit 29 Milliarden Euro der zweitgrößte Haushaltsposten.

Im Haushalt 2013 wurden dafür nun sogar schon fast 39 Milliarden Euro angesetzt. Deshalb ist ein Rettungsantrag am Wochenende noch nicht vom Tisch. Dass diverse Medien einen "hochrangigen Vertreter" des Währungsraums schuldenkrise-spaniens-hilfsantrag-kommt-nicht-in-kuerze/70100129.html: zitieren, wonach der Hilfsantrag "nicht unmittelbar bevorsteht", ändert daran nichts. Es ist eher erstaunlich, dass in Brüssel niemand ausdrücklich dementiert und auch namentlich genannt werden will.