Frankreich: Rückkehr zur Normalität

Die Rentenreform hat das Parlament passiert, die Teilnehmerzahlen an den gestrigen Streiks sind zurückgegangen, die Protestbewegung spricht sich Mut zu

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Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren beinahe wieder normal, der Zugverkehr ebenfalls, an mehreren Raffinerien wird die Arbeit wieder aufgenommen, es gebe noch punktuelle Streikpunkte, aber das Land befinde sich auf dem Weg zur Rückkehr zur normalen Aktivität, berichtet Le Monde heute.

Haben Sarkozy und seine Regierung den Machtkampf gewonnen? Einiges spricht dafür. Die Streikfront hatte sich gestern gegen den Fakt zu behaupten, dass die Rentenreform am Vortag im Parlament durchgewunken wurde. Selbst wenn kein anderes Ergebnis erwartet worden war, so stellt es doch ein Fait accompli dar: Die Regierung hat das Gesetz durchgesetzt trotz des Widerstands, der zwischendrin drohte, das ganze Land lahmzulegen, ohne Aussicht auf eine Lösung des Konflikts.

Von dieser Dimension war der gestrige Streiktag weit entfernt. Auch wenn sich Regierung und Gewerkschaften wie immer darüber streiten, wie groß die Teilnehmerzahlen gestern waren - das Innenministerium spricht 560.000 Teilnehmern an den gestrigen Demonstrationen. Die CGT von knapp 2 Millionen - auf das Niveau der letzten beiden großen Protesttage im Oktober kommen sie nicht. Es konnten weniger Unterstützer der Streiks mobilisiert werden als zuvor, das bestreitet niemand. Dazu kam der Beginn der Allerheiligen-Ferien, der den Protesten viel Unterstützung besonders auf Seiten der Schüler und Studenten entzog.

Sah es Mitte Oktober noch ganz so aus, als ob das Kräftemessen zwischen Regierung und Protestbewegung, die sich ja über Gewerkschaften hinaus ausweitete, unentschieden bleibe und manche darauf hofften, dass Sarkozy, wenn schon nicht zum Kurswechsel in der Sache, so aber doch zu Zugeständnissen gezwungen werde, so deutet sich laut Le Monde ein "klassischer Ausweg" an, der schon von Vorgängerregierungen beschritten wurde: Man stellt in Aussicht, dass sich die beiden Lager zu zentralen Fragen zusammensetzen an runden Tischen beispielsweise, ohne dass daraus tatsächlich spürbare Maßnahmen resultieren. Der Haupteffekt besteht darin, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren. So wurde von Regierungsseite bereits Ideen in Umlauf gebracht, dass man sich mit Gewerkschaften zusammensetzen werde, um über beschäftigungspolitische Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer oder zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit zu beraten.

Für den 6. November ist noch einmal eine große Mobilisierung seitens des Protestlagers vorgesehen, die Ferien sind dann vorbei und die Schüler wieder dabei. Dann wird sich zeigen, wie stark die "soziale Bewegung" ist, als welche die Gewerkschaft den Protest bezeichnet. Ob sie am Kurs Sarkozys tatsächlich etwas ändern wird, ist sehr fraglich. Der Kampf gegen die Rentenreform scheint verloren, so setzt man jetzt in der Protestbewegung auf Größeres: die Unzufriedenheit werde bleiben, erklärt eine Studentin. Man werde die Fackel wieder aufnehmen und die Jungen mobilisieren, weitermachen und spezifische Forderungen stellen:

"Das Klima (der Unzufriedenheit, Erg. d.A.) wird sich halten und könnte neuen Schwung bekommen, vor allem bei Themen der sozialen Sicherheit. Es wird zu Unruhen kommen."