Französische Atomreaktoren mit fatalen Problemen
Die Probleme, die 2014 Fessenheim außer Kontrolle geraten ließen, bestehen auch in anderen Atomkraftwerken
Vor zwei Jahren war der Atomreaktor am Oberrhein, der direkt an der Grenze zu Deutschland steht, außer Kontrolle und konnte nur noch mit der Zugabe von Bor heruntergefahren werden. Der Grund dafür war, dass ausgelaufenes Wasser durch Kabelkanäle in Schaltschränke laufen und dort für Kurzschlüsse sorgen konnte. Wie nun berichtet wird, liegt dieses Problem offenbar auch in einigen anderen französischen Atomkraftwerken vor.
Der Schutz gegen sogenannte "interne Überflutungen" sei mangelhaft, geht aus einem Bericht des Kölner Atomsicherheitsexperten Manfred Mertins hervor, der dem WDR vorliegt. Der Experte stützt sich bei seiner Analyse auf einen Bericht des französischen Instituts für Nuklearsicherheit (IRSN). Erst nach den fatalen Vorgängen im Juni 2014 am Oberrhein sei von der staatliche Betreibergesellschaft EDF angeordnet worden, die 58 Kernkraftwerke auf solche Mängel zu untersuchen. Entsprechende Probleme seien demnach in verschiedenen Meilern festgestellt worden. Die Untersuchungen liefen noch, die genaue Zahl der betroffenen Reaktoren sei immer noch nicht bekannt. Die Beseitigung der Mängel solle noch mindestens zwei Jahre dauern.
Diese Vorgänge zeigen, wie absurd die angeblichen "Stresstests" nach der Katastrophe in Fukushima waren. Sie bestätigen die Ansicht von damals, dass man es mit allem anderen als mit stressigen Tests zu tun hatte. Der Schutz vor solchen internen Überflutungen war dabei eine zentrale Sicherheitsanforderung. Doch entweder wurden diese eklatanten Mängel nicht gefunden oder in den vier Jahren danach nicht beseitigt.
Der Atomsicherheitsexperte Mertins meint, ein solcher Stresstest sei wertlos, der "ja gerade die Frage der Widerstandsfähigkeit der Atomkraftwerke gegen übergreifende Einwirkungen klären" sollte. Er weist auch darauf hin, dass der Betreiber EDF nach ähnlichen Vorkommnissen im Atomkraftwerk Le Blayais längst das Problem kannte, aber daraus offenbar keine Konsequenzen gezogen habe. 1999 war es ein Hochwasser der Gironde, das dazu führte, dass unterirdisch gelegene Bereiche der Reaktorgebäude von Block 1 und 2 und Teile des Kühlsystems, der Notkühlung sowie weitere Sicherheitseinrichtungen überschwemmt wurden.
Im Fall Fessenheim habe die EDF zudem gegenüber der Atomaufsicht falsche Angaben gemacht, was an dessen Zuverlässigkeit zweifeln lasse. Schon 2009, also etwa zwei Jahre vor der Katastrophe in Fukushima, habe die Internationale Atomenergiebehörde im Rahmen der OSART-Mission (Operational Safety Review Team) das älteste französische Atomkraftwerk überprüft und Verbesserungen im Sicherheitsmanagement angemahnt. Der Betreiber habe 2011 aber der Internationalen Atomenergiebehörde berichtet, die Mängel seien abgestellt. Der Störfall 2014 habe aber genau das Gegenteil bewiesen. "Festzustellen ist, dass die von der Osart-Mission aufgeführten Mängel offensichtlich teilweise fortbestehen und ursächlich für das Vorkommnis am 9. 4. 2014 waren", schreibt Mertins in seinem Gutachten.
Dazu muss noch erwähnt werden, dass es bei den Vorgängen den Betreibern nicht einmal gelang, die Steuerstäbe mehr durch den Kern fallen lassen, um die Kettenreaktion zu stoppen. Das soll rein mechanisch über die Schwerkraft ablaufen, um eine Reaktorschnellabschaltung zu ermöglichen, die von Stromkreisen unabhängig ist. Deshalb geriet der Meiler aus der Kontrolle, die Temperatur stieg unkontrolliert an, weshalb zum letzten Mittel Bor gegriffen wurde.
Man fragt sich, wie auch bei den Vorgängen in Belgien, ob schlicht die Abhängigkeit vom Atomstrom dafür sorgt, dass die Bevölkerung einer extremen Gefahr ausgesetzt wird. Denn gefährliche Meiler werden trotz bekannter erheblicher Sicherheitsmängel nicht einmal abgeschaltet, bis diese beseitigt sind.