"Für die Opposition gibt es keine Chance"

Der Jerusalemer Geschichtsprofessor Moshe Zimmermann zur Lage in Israel

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Moshe Zimmermann ist Professor für Neuere Geschichte und leitet das R. Koebner-Institut für deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Schwerpunkt seiner Forschungen und Publikationen sind Nationalismus, Antisemitismus und deutsch-jüdische Geschichte. Telepolis sprach mit ihm:

Telepolis: In Ihrem neuen Buch "Die Angst vor dem Frieden - Das israelische Dilemma" schreiben Sie, dass die Israelis dabei sind, ihr kostbarstes Gut, den demokratisch legitimierten Staat, zu zerstören. Wie beurteilen Sie die Lage Israels nach dem jüngsten Vorfall?

Moshe Zimmermann

: Israel igelt sich weiter ein, isoliert sich und versteht nicht, was falsch gemacht wurde. Proteste gegen die Blockade, gegen den Krieg in Gaza, gelten als illegitim. Man schaut auf die "Feinde" von Außen und Innen, vermutet bei denen, die nicht mit den Wölfen heulen, Verrat und Heimtücke.

Telepolis: In den Medien sieht man nur israelische Bürger, die dieses Vorgehen der israelischen Armee verteidigen und gut heißen. Wie ist die Stimmung denn wirklich in der israelischen Bevölkerung? Stehen sie wirklich hinter der Politik der Regierung?

Moshe Zimmermann

: Die absolute Mehrheit hat diese Regierung gewählt und steht auch heute hinter dieser Regierung. Für die Opposition auf dem linken Flügel gibt es weiterhin keine Chance.

Telepolis: Braucht in gewisser Weise der israelische Staat den "Feind", um überhaupt zu überleben?

Moshe Zimmermann

: Man braucht den "Feind" nicht zum Überleben, sondern um eine Wende in der Politik zu blockieren. Ein Kollektive, jedes Kollektiv, benutzt "den Feind", um sich selbst zu bestimmen und definieren.

Telepolis: Der Aufschrei in der Welt war sehr groß. Denken Sie, dass nun die Weltöffentlichkeit nicht mehr so "großzügig" mit Israel umgehen wird?

Moshe Zimmermann

: Die Weltöffentlichkeit war auch bisher nicht "großzügig". Immer wieder gab es harte Reaktionen, die aber nachher meist in Vergessenheit geraten waren. So nach dem ersten Libanon Krieg 1982, nach dem zweiten 2006 und nach dem Gaza-Krieg 2009. Langfristig erodiert selbtsverständlich die Sympathie für Israel. Und mit einem Außenminister wie Liebermann ist eine Trendwende unmöglich.

Telepolis: Die Türkei war ein strategisch sehr wichtiger Partner für Israel. Besteht Aussicht darauf, dass sich die Beziehungen wieder normalisieren werden?

Moshe Zimmermann

: Die Türkei hat ihre Strategie geändert - weniger auf USA,NATO und Europa zu setzen, mehr auf Iran, Russland etc. So verliert Israel den besonderen Wert, den sie 1990-2010 für die Türkei hatte.

Telepolis: Sie gehören zu den Stimmen in Israel, die auch offen die Politik der Regierung kritisieren. Wie wird Ihre Kritik und die Kritik von anderen Israelis aufgenommen? Gibt es Ressentiments gegenüber den Kritikern?

Moshe Zimmermann

: Das Traurige ist, dass der Konsens so stark ist, dass man die Kritiker ignorieren oder gar zur Lachnummer machen kann.