Für immer und ewig: beclickend
Twitter will seine Angestellten jetzt für immer und ewig im Homeoffice sehen. Hoffentlich dürfen die wenigstens an Weihnachten mal raus
Natürlich gilt das nicht für alle, ein paar müssen ja die Server warten und am Schluss noch das Licht ausmachen, aber Twitter erlaubt vielen seiner Angestellten ab jetzt für immer und ewig im Homeoffice zu bleiben. CEO Jack Dorsey hat darüber angeblich sehr stark nachgedacht und ist jetzt sehr stolz darauf.
Derweil, irgendwo in der Nähe von San Francisco, ditscht ein Twitter-Angestellter leise wimmernd seinen Egghead an die heimische Officewand und schluchzt dann auf: Nie wieder ins Büro, für immer und ewig Robinson sein, auf seiner Arbeitsinsel sitzen und sich auf Freitag freuen. So sieht das neue Arbeiterleben für das digitale Prekariat aus. Vorbei die schönen Zeiten, in denen es Gratiskaffee und einen kleinen Plausch mit dem netten Kollegen in der "très chic" Kantine gab.
Ab jetzt heißt es Stulle schmieren zwischendurch und abends noch schnell um den Block joggen, damit man wenigstens einmal am Tag das eigene Haus verlassen hat. Dazwischen: Videokonferenzen mit virtuellem Hintergrund, der den eigenen Hausmüll im Wandregal ausblendet. Und dabei bloß nicht aufstehen, weil man seit morgens nur in Boxershorts vor dem Bildschirm sitzt. Klingt verlockend. Für die Arbeitgeber liegt darin eine Menge an Sparpotential. Kantine kann zumachen, der Kaffeekonsum im Büro sinkt und das Büro an sich kann man auch auf eine Halle mit Servern reduzieren. Zumindest die Meetingräume lassen sich jetzt weitervermieten. Jetzt wo WhatsApp Video Calls mit bis zu 50 Personen gleichzeitig ermöglichen will, lassen sich sogar größere Abteilungsmeetings schnell zwischen Türe und Angel durchführen. Da reichen Boxershorts als Dienstkleidung aus.
Wobei das genau neue Kosten für Unternehmen erzeugen wird. Gerade hat Facebook 52 Millionen USD bereitgestellt, um Angestellten je 1000 Öcken mehr zu zahlen, die durch den Kontakt mit Inhalt auf Facebook nachweisbare psychische Beeinträchtigungen erlitten haben. Es dauert sicher nicht mehr lange, bis die ersten Angestellten von Twitter angeben, sie wäre durch das plötzliche Auftauchen von Boxershorts in Finanzabteilungsmeetings psychisch stark beeinträchtigt worden und beständen deshalb zumindest auf eine Einmalzahlung.
Das mag jetzt auf den ersten Blick ein wenig übertrieben wirken, schließlich haben wir alle gottseidank nur eine leichte Ahnung davon, mit welchem Schweinekram man sich bei Facebook täglich herumschlagen muss. Auf der anderen Seite kenne ich die Teammitglieder der Finanzbuchhaltung bei Twitter nicht. Also lassen wir es mal als mögliches Szenario stehen und schauen gebannt zu, wie es sich in diesen Dingen entwickeln wird.
Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an 2013, als der damalige Yahoo CEO Marissa Mayer, über die man inzwischen auch nicht mehr so viel hört, Homeoffice für die Angestellten abstellte. Man wollte schlichtweg die Produktivität des strauchelnden Unternehmens erhöhen. Und man wollte einfach feststellen, ob die offiziell in den Lohnlisten geführten Mitarbeiter überhaupt noch für Yahoo tätig waren. Da gingen Gerüchte herum, dass viele sich nur noch von der Firma als eine Art von 13. Monatsgehalt bezahlen ließen und längst ein eigenes Business betrieben.
Offiziell wollte Frau Mayer, bevor sie dann aus anderen Gründen ein wenig später selbst das Unternehmen verließ, schlichtweg eine aktivere Unternehmenskultur fördern. Ob das durch volle Parkplätze und Kantinen gewährleistet sein kann, das wäre dann jetzt im Nachhinein schon interessant zu erfahren.
Twitter wird ja vermutlich auch nicht aktiver durch plötzliches Aufspringen als Begrüßung im Video Chat. Zur Sicherheit mit ordentlich angelegter Beinkleidung.