Geheimnisvolles Urheberrecht

WAZ wehrt sich weiter gegen die Künstlerkompanie

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Wie hier berichtet, hatte das Oberlandesgericht Köln ein Urteil des Landgerichts Köln bestätigt, in welchem der WAZ-Gruppe die Verbreitung der geleakten Afghanistan-Berichte versagt wurde. Bei den Berichten handelte es sich um Verschlusssachen zur Unterrichtung des Parlaments. Die Bundeswehr hat nunmehr die Gewehre durchgeladen und den Verlag durch Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gezwungen, die Berichte aus dem Internet zu nehmen.

Ungwöhnlich an der Unterlassungsklage war die Begründung mit Urheberrecht. So stuften die Kölner Gerichte die Berichte als Werke der Sprachkunst ein, obwohl nicht davon auszugehen ist, dass diese zu Zwecken der schönen Künste angefertigt wurden. Bei Zuerkennen von Urheberrechten ist ein Mindesmaß an persönlich geistiger Schöpfung erforderlich, welches die Richter vorliegend als erfüllt ansahen.

Der WAZ-Verlag indes hatte auch nach dem zweiten Angriff der "Künstlerkompanie" nicht die weiße Fahne geschwenkt, sondern will die Stellung halten und versucht es nunmehr mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof. Das OLG Köln hatte im Urteil angeführt, eine Verbreitung der Originaldokumente zur Erfüllung der Belange der Presse sei nicht erforderlich, da auch ohne Streuen dieses Rohmaterials qualifiziert hierüber berichtet werden könne. Allerdings waren seinerzeit die Leser dazu aufgefordert worden, sich selbst an der Auswertung zu beteiligen, sodass ggf. doch ein presserechtliches Interesse an der Veröffentlichung bestehen könnte, welches gegen die - ohnehin nur fadenscheinig vorgeschobenen - Belange des Urheberrechts abzuwägen wäre.

Während die Bundeswehr ihr Sperrfeuer auf die WAZ konzentrierte, hat sie einen anderen Feind bislang außen vor gelassen: So hatte in Solidarität zur WAZ die Piratenfraktion im Landtag NRW die Dokumente demonstrativ auf eigenen Servern gespiegelt und auf einen Prozess ankommen lassen. Bislang allerdings gerieten die Piraten jedoch nicht ins Visier juristischer Scharfschützen. Der Abgeordnete Marc Grumpy Olejak wies heute süffisant darauf hin, dass die Bundeswehr-Klage zu Zeiten des Verteidigungsministers Thomas de Maizière erhoben wurde, der inzwischen als Bundesinnenminister Dienstherr des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist.

Mit dem Urheberrechtsmanöver der Bundeswehr könnte ggf. auch das Bundesamt für Verfassungsschutz Leakern das Leben schwer machen. Vorausgesetzt natürlich, dass die Dokumente als Sprachwerke anzusehen sind. Tatsächlich haben Geheimdienste ja schon durchaus literarische Talente hervorgebracht wie Ian Fleming, John Le Qarre und George Orwell. Auch Literaturkritiker Marcel Reich-Ranitzki hatte zeitweise für den polnischen Geheimdienst gearbeitet. An Einfaltsreichtum scheint es den Kölner Spionen ja nicht zu mangeln.