Gerüchte um Wahlbetrug in Venezuela machen Schlagzeilen

Screenshot aus dem YouTube-Video von telesurtv

Londoner Hersteller von Wahlcomputern sorgt mit Erklärung für Aufregung. Zahlen und Argumente kaum nachprüfbar

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In Venezuela hat die regierungskritische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega ein Verfahren wegen des Verdachts auf Wahlbetrug bei der Abstimmung über die verfassungsgebende Versammlung am vergangenen Sonntageingeleitet. Sie habe zwei Staatsanwälte mit Ermittlungen "zu diesem skandalösen Vorgang" beauftragt, sagte Ortega am Mittwoch im Interview mit dem US-Sender CNN.

Die Juristin, die lange zum Regierungslager gehörte, bezog sich auf eine Erklärung des britischen Unternehmens Smartmatic, das Wahlmaschinen herstellt und die Abstimmungen in Venezuela seit dem Jahr 2004 begleitet. Die Vorwürfe von Smartmatic seien "sehr schwer", so Ortega gegenüber CNN. Bei der Erklärung aus London handele es sich um "ein weiteres Element in diesem ganzen illegalen Prozess der verfassungsgebenden Versammlung des Präsidenten". Es bestehe sogar der Verdacht auf ein "Verbrechen gegen die Menschheit", so Ortega: "Es ist wahrscheinlich, dass wir in diesem Fall noch nicht mal eine Wahlbeteiligung von 15 Prozent hatten."

Eines der Hauptprobleme in der aktuellen Debatte über einen mutmaßlichen Wahlbetrug in Venezuela ist, dass weder Ortega noch Smartmatic ihre Zahlen begründen. So heißt es in der Presseerklärung des britischen Unternehmens, das bei der Abstimmung "schätzungsweise eine Differenz von einer Million Stimmen zwischen der tatsächlichen Beteiligung und dem von den Behörden bekanntgegebenen Resultat liegt".

Zuvor heißt es in der gleichen Erklärung noch selbstbewusst: "Aufgrund der Zuverlässigkeit unseres Systems (von Wahlmaschinen) wissen wir ohne jeden Zweifel, dass das Ergebnis der letzten Wahlen (zur verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela) manipuliert wurde." Worin diese Information besteht, erklärt Smartmatic aber nicht. Dennoch fand die Meldung weltweit umgehend Verbreitung.

Das am ehesten nachvollziehbare Argument der Londoner Firma lautet: Die Abstimmung mit Maschinen von Smartmatic braucht immer auch einen Gegencheck der beteiligten politischen Parteien, so wie dies in der Vergangenheit in Venezuela gemeinhin geschehen ist. Weil die Opposition die Wahlen dieses Mal aber boykottierte, sei diese Kontrolle nicht gegeben gewesen. Wie daraus auf einen sicheren Wahlbetrug geschlossen wird, bleibt unklar. Zumal die venezolanische Opposition Ende 2005 – als Smartmatic schon beteiligt war – schon einmal eine Wahl boykottiert hatte.

Wahlbehörde weist Vorwürfe zurück

Die Präsidentin der Wahlbehörde CNE, Tibisay Lucena, bezeichnete die Erklärung von Smartmatic als "beispiellose Einschätzung eines Unternehmens, dessen einzige Aufgabe im Rahmen der Wahl darin besteht, bestimmte Dienstleistungen und technische Unterstützung zu bieten, die keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben".

"Diese Erklärungen wurden im Zusammenhang mit der dauerhaften Aggression gemacht, die vor zwei Wochen gegen den CNE eingesetzt haben. Dazu gehören bekannterweise Sanktionen der US-Regierung gegen meine Person als Leiterin des CNE, allein aufgrund der Organisation einer universellen, direkten und geheimen Wahl, an der alle im Wahlregister eingetragenen Venezolaner teilnehmen durften. Eine Sanktion, die auf der Einhaltung der Verfassung und der venezolanischen Gesetze beruht", so Lucena.

Gleichzeitig sei die Wahlbehörde selbst Opfer von Gewalt geworden: "Vor der Wahl mussten für 1.200 Wahllokale aufgrund von Belagerungszuständen neue Standorte gesucht werden." In der Nacht vor der Wahl hätten zur Gewährleistung der Sicherheit der Wähler in einigen Bundesstaaten Wahllokale umziehen müssen, da sie systematisch angegriffen wurden.

Im Übrigen habe Smartmatic als Serviceunternehmen auch dieses Mal an allen technischen Überprüfungen teilgenommen und die entsprechenden Protokolle unterschrieben, erklärte die venezolanischen Wahlbehörde an anderer Stelle. Dies betreffe auch die Software der Wahlmaschinen und das Auszählungssystem.

Der Rat der Wahlexperten Lateinamerikas, ein Zusammenschluss von Vertretern der Wahlbehörden aus den Staaten der Region, verteidigte indes das offizielle Ergebnis, dem zufolge rund acht Millionen Menschen an der Abstimmung am vergangenen Sonntag teilgenommen haben. Im Interview mit dem russischen Auslandssender RT bezeichnete der ehemalige Präsident des Wahlrates von Ecuador, Nicanor Moscoso, das Ergebnis als "wahr und vertrauenswürdig". Es sei auch dieses Mal das gleiche System zur Anwendung gekommen wie bei den vorherigen Abstimmungen, "eingeschlossen 2015, als die Opposition die Parlamentswahl gewonnen hat".