Greenpeace- "Piraterie" vor den Kanarischen Inseln
Die umstrittenen Öl-Probebohrungen vor den Ferieninseln haben begonnen und die Arbeiten einer Privatfirma werden vom Militär abgesichert
Spanien schießt mit schweren Geschützen gegen die Umweltorganisation Greenpeace. Da sich deren Aktivisten am vergangenen Samstag mit zwei Booten einem Spezialschiff genähert haben, das am Dienstag mit Probebohrungen nach Öl vor den Inseln Lanzarote und Fuerteventura begonnen hat, wirft das spanische Verteidigungsministerium der Organisation "Piraterie" vor. Verteidigungsminister Pedro Morenés hat sich am Montag an die Staatsanwaltschaft gewandt, weil die Aktivisten angeblich die Rowan Rinaissance entern wollten. Greenpeace hätte sich trotz des Verbots dem Spezialschiff genähert, das der spanische Ölmulti Repsol gechartert hat.
Nach Ansicht von Beobachtern in Spanien versucht Verteidigungsminister Pedro Morenés mit seinen neuen Vorwürfen in die Offensive zu kommen. Längst haben viele Menschen die dramatischen Bilder gesehen, die Greenpeace aufgenommen hat. Sie zeigen, wie die Kriegsmarine gegen die Schlauchboote vorgegangen ist. Sie wurden von den Militärbooten gerammt, wobei vier Menschen verletzt wurden. Die 23-jährige Italienerin Matilde Brunetti wurde bei dem Angriff sogar schwer verletzt, sie stürzte ins Wasser und ihre Schreie sind auf dem Video deutlich zu hören.
Die Greenpeace-Sprecherin Laura Pérez sprach von einer "überzogenen Gewaltanwendung" und kündigte schon am Sonntag juristische Schritte an. Nicht einmal in Russland sei man so brutal behandelt worden, erklärte eine der beteiligten Aktivistinnen, die in Russland schon einmal inhaftiert worden war. Morenés rechtfertigt den Einsatz dagegen. Die Marine habe "getan, was getan werden musste", und schob den Vorwurf der Piraterie nun nach.
Die gesamte Opposition fordert, dass sich der konservative Verteidigungsminister für den Einsatz vor dem Parlament rechtfertigen müsse. Gesprochen wird von einer "brutalen" Aktion. Auch der Präsident der Regionalregierung der Kanaren ist entsetzt. Paulino Rivero besuchte noch am Sonntag die Italienerin im Krankenhaus und kritisiert ein "völlig unverhältnismäßiges" Vorgehen. Er sprach auch von einem "Angriff" auf die gesamte Bevölkerung der Kanarischen Inseln, die mit einer großen Mehrheit Ölbohrungen ablehnt.
Die Regionalregierung, die einzelnen Inselregierungen, die Parteien – mit Ausnahme von Morenésultrakonservativer Volkspartei (PP) -, die Tourismusindustrie und die große Mehrheit der Bevölkerung wenden sich mit Greenpeace und anderen Umweltorganisation gegen die Ölsuche vor Lanzarote und Fuerteventura. Befürchtet werden schwere Schäden für die Umwelt. In dem 6.500 Quadratkilometer großen Gebiet, in dem nun nach Öl gesucht wird, lägen die ökologisch wertvollsten Gebiete. Sie würden auch schon durch Probebohrungen "schwer geschädigt", bezichtigt nicht nur Greenpeace die Zentralregierung der "Lüge", da sie das Gegenteil behauptet. Allgemein wird befürchtet, dass der Tourismus leiden wird, von dem die Inseln abhängig sind.
Die Regionalregierung wollte eigentlich die Bevölkerung per Referendum über die Bohrungen entscheiden lassen. Doch wie die unverbindliche Befragung über die katalanische Unabhängigkeit ließ die Zentralregierung auch diese Abstimmung über das Verfassungsgericht "vorläufig" verbieten. Das Referendum sollte eigentlich am Sonntag stattfinden. Industrieminister José Manuel Soria, der Repsols Probebohrungen im Atlantik genehmigt hat, warnte die Kanaren davor, eine "illegale Abstimmung" wie die Katalanen abzuhalten, wo sich 81% für die Unabhängigkeit ausgesprochen haben. Madrid wolle darauf entsprechend reagieren, drohte er auch den Kanaren mit Repression.
Nach Vorbild der Katalanen will die Regionalregierung die Bevölkerung nun nur noch unverbindlich über die über die Bohrungen befragen. Doch sogar das hatte die Regierung in Katalonien verboten, worüber man sich dort allerdings erfolgreich hinweggesetzt hat. Die Regierung der Kanaren bezichtigt Madrid auch, die Kanaren wie eine Kolonie zu behandeln. Madrid wolle sich dessen Bodenschätze "widerrechtlich aneignen", erklärte Rivero. Er befürchtet auch, dass es zu Problemen mit Marokko kommen könnte, denn das Königreich sucht schon lange in der Gegend nach Öl, wurde aber bisher nicht fündig.
Die Regionalregierung fordert, dass die nun begonnenen Probebohrungen gestoppt werden, solange nicht definitiv über die Verfassungsklage entschieden ist. Seit Dienstag wird 54 Kilometer vor Fuerteventura und 62 km vor Lanzarote gebohrt. Es sollen Bodenproben in einer Tiefe von 1920 und 3100 Metern genommen und danach auf Ölvorkommen untersucht werden. Der Grund liegt etwa 900 Meter unter dem Wasserspiegel. An zwei Stellen soll gebohrt werden, allerdings wurden Repsol insgesamt drei Bohrungen genehmigt, die zwei Monate dauern sollen.