Großrazzia in Hamburg
Im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Hamburger Morgenpost (MOPO) wurden in den vergangenen Tagen 12 Wohnungen durchsucht und neun Tatverdächtige erkennungsdienstlich behandelt
Nach den tödlichen Anschlägen auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo waren plötzlich alle Charlie. So auch die Kolleginnen und Kollegen der MOPO: Als Zeichen der Solidarität mit den ermordeten Kollegen lautete die Titelseite des Hamburger Blattes am 8. Januar 2015, dem Tag nach dem Anschlag in Paris: "So viel Freiheit muss sein". Zudem waren darauf einige Charlie-Hebdo-Karikaturen abgebildet. Drei Tage später wurde ein Brandanschlag auf das Archiv der MOPO im Verlagshaus im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld verübt. Glücklicherweise entstand nur Sachschaden.
Die zeitliche Nähe des Anschlags zur der Charlie-Hebdo-Solidaritätsaktion legte nach Ansicht der zuständigen Behörden einen islam-fundamentalistischen Hintergrund nahe. Deshalb wurde eine Sonderkommission unter der Leitung des Staatsschutzes (LKA 7) mit bis zu 70 Beamten aus allen Bereichen der Polizei eingerichtet.
Staatsanwaltschaft und Polizei gehen davon aus, dass die Tat im Zusammenhang stand mit einem Anschlag auf eine Schule im selben Stadtteil in der Nacht vor dem Angriff auf die MOPO. Außerdem konnte ermittelt werden, woher ein Gullydeckel stammte, der am Tatort bei der MOPO gefunden wurde.
Alles in allem ergab sich offensichtlich ein Bild, nachdem die Täter im Umfeld der Max-Brauer-Stadtteilschule zu suchen wären. Ins Visier gerieten neun männliche Jugendliche, bzw. junge Erwachsene im Alter von 16 bis 21 Jahren. Zur Festnahme der Verdächtigen erließ die Staatsanwaltschaft 12 Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen und Aufenthaltsorte der Tatverdächtigen. Bei deren Vollstreckung wurden alle fraglichen Personen angetroffen, vorläufig festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Danach wurden alle wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei den Durchsuchungen wurde "umfangreiches Beweismaterial" sichergestellt, von dessen Auswertung die Mitglieder der SOKO sich Erkenntnisse über Schuld, Motiv und Hintergrund der Taten erhoffen. Ob der Anschlag auf die MOPO in irgendeinem Zusammenhang mit dem Anschlag auf Charlie-Hebdo, respektive dem Titel vom 8. Januar 2015 steht, ist immer noch offen.
Die Beschäftigten der Hamburger Morgenpost, die zum Verlagshaus M. DuMont Schauberg (MDS) gehört, sind nicht nur von dem Brandanschlag betroffen – auch wenn niemand zu Schaden kam, der Schock sitzt tief -, sondern auch von möglichen Kündigungen. Der Betriebsrat sprach zunächst von einer eventuellen Reduktion des Personalstammes von 10%. Das wären 10 Beschäftigte, die ihren Hut nehmen müssten. Das würde vor allem die Anzeigenabteilung betreffen, die in zwei Sparten gegliedert ist: Außen- und Innendienst. Der Außendienst, also der Anzeigenverkauf, soll, so befürchtet der Betriebsrat, in eine eigenständige Gesellschaft umgewandelt werden, und der Innendienst einer MDS-Tochterfirma in Halle angegliedert werden.
Inzwischen ist sogar davon die Rede, der Konzern wolle die Hamburger Belegschaft um 15% verringern. Von den Kündigungen wären dann laut Handelsblatt auch der Betriebsratsvorsitzende Holger Artus und seine Stellvertreterin Birgit Savinsky sowie ein weiteres Betriebsratsmitglied betroffen. Die wären zwar eigentlich aufgrund ihrer Funktion unkündbar, allerdings könnte die Schließung der Abteilung die Kündigung möglich machen.