Hausdurchsuchungen bei Greenpeace
Wegen ein paar Eimern Farbe lässt die Berliner Staatsanwaltschaft bundesweit Büros und Wohnungen durchsuchen. Ein Kommentar
Man muss sich schon fragen, was in diesem Land eigentlich los ist. Da hat der IPCC, die UN-Organisation für Klimawissenschaften, den Regierungen der Welt gerade erst ins Stammbuch geschrieben, dass es wirklich allerhöchste Zeit für wirksamen Klimaschutz und drastische Minderung der Treibhausgasemissionen ist, da durchlebt Deutschland das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen und eine nicht enden wollende extreme Dürre, und was macht die hiesige Staatsgewalt?
Sie geht mit dem großen Vorschlaghammer gegen jene vor, die auf die Gefahren hinweisen und endlich Vorsorge verlangen, mithin das, was in einer funktionierenden Demokratie längst Aufgabe der Regierung gewesen wäre.
Am Mittwochmorgen durchsuchten Polizisten im ganzen Bundesgebiet insgesamt 29 Privatwohnungen und Büros der Umweltorganisation Greenpeace und ihrer Aktiven. Man könnte meinen, bei dem Umfang müsse es um eine schwere Straftat, ein Gewaltverbrechen, den Betrug an Millionen Autokäufern oder das Steuerbetrug in Milliarden-Höhe gehandelt haben. Nein, es ging um "gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr".
(BTW: Hat einer der werten Leserinnen und Leser schon mal versucht, eine Anzeige gegen einen Autofahrer aufzugeben, der ihn oder sie zuvor auf dem Fahrrad geschnitten hatte?)
Sicher, die Aktion vor vier Monaten war durchaus fragwürdig. Greenpeace hatte im Kreisverkehr um die Berliner Siegessäule – im Volksmund auch "Goldelse" genannt – 3500 Liter gelbe Farbe ausgekippt, die durch die Fahrzeuge auf den umliegenden Straßen verteilt wurde. Im Luftbild entstand dadurch eine gelbe Sonne, mit der die Umweltschützer anlässlich der an diesem Tag erstmalig tagenden Kohlekommission für Solarenergie werben wollten.
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazin Spiegel stürzten eine Radfahrerin und ein Motorradfahrer. Außerdem habe es Auffahrunfälle gegeben. Allerdings hatte Greenpeace nach eigenen Angaben nach der Aktion im vollen Umfang mit den Behörden zusammengearbeitet. Unter anderem habe man auch die Reinigungskosten übernommen.
Im Gespräch mit Telepolis berichtet Greenpeace-Sprecher Christian Bussau, dass die Aktivisten bei der Aktion im Juni alles unternommen hätten, um vor Ort die Autofahrer mit Warnschildern und in Gesprächen auf die Gefahren hinzuweisen. Es sei kein Unfall beobachtet worden.
Im Nachhinein habe sich aber eine Fahrradfahrerin gemeldet, die gestürzt sei. Die dabei beschädigte Brille habe Greenepeace ersetzt. Auch mit einigen Autofahrern sei man in Kontakt, die wegen Reinigungskosten ihrer Fahrzeuge nachgefragt hätten. Greenpeace habe auch mit allen Behörden und der Polizei kommuniziert und stehe zu seinen Aktionen.
Seine Organisation sei vom Vorgehen der Staatsanwaltschaft daher völlig überrascht worden. "Man kann von uns alle Informationen bekommen, dafür braucht es keine Hausdurchsuchungen", so Bussau. Diese und die Beschlagnahmung zahlreicher Handys und Computer seien daher vollkommen überzogen.
Applaus von rechts
Dem ist eigentlich nur beizupflichten. Auch die in Berlin mitregierenden Grünen und Linken sehen dies offensichtlich so, wobei es immer wieder frustrierend mitanzusehen ist, wie sich kritische Geister im Parlament, die Legislative also, von der polizeilichen Exekutive auf der Nase herum tanzen lassen.
Kein Wunder ist es hingegen, dass es von rechts und ganz rechts Applaus gibt. Die AfD entblödete sich gar, den heimgesuchten Umweltschützern die Forderung nach "harten Strafen" hinterher zu schicken. Für die Rechtsradikalen gibt es ja ohnehin weder Klimawandel noch Stickoxide noch Quecksilber, Arsen oder Blei, weshalb sie die Kohlekraftwerke weiter laufen lassen wollen, bis die letzte Kohle verfeuert ist.
Nun gut, von Leuten, die auf Flüchtlinge schießen wollen, erwartet man nichts anderes. Aber bei Staatsanwaltschaft und Polizei würde man sich ein ähnliches Engagement eher wünschen, wenn Einwanderer ermordet, bekanntermaßen potenzielle Attentäter durch die Lande ziehen oder Molotow-Cocktails auf Flüchtlingsheime geworfen werden.