Heißer Mai in Portugal
Während die zerstrittene Regierung neue Sparpläne ankündigt, steht dem Land wieder ein Generalstreik bevor
Drastische Sparpläne haben die Demonstrationen am 1. Mai in Portugal weiter angeheizt. Ohnehin war erwartet worden, dass sich am Nachmittag Hunderttausende an Protestzügen im ganzen Land beteiligen. Zwar gingen die beiden großen Gewerkschaftsverbände CGTP und UGT erneut getrennt auf die Straßen des Landes, doch wird erwartet, dass sie bald gemeinsam zum Generalstreik antreten, nachdem die konservative Regierung neue Sparpläne im Umfang von sechs Milliarden Euro angekündigte. "Es reicht", sagte der neue Chef der sozialdemokratischen UGT am 1. Mai. Die "Zukunft Portugals" dürfe nicht mit weiter "verpfändet werden", erklärte Carlos Silva.
In der UGT weht mit Silva ein neuer Wind, nachdem kürzlich der umstrittene João Proença an der Spitze abgelöst wurde. Der hatte sich einem gemeinsamen Generalstreik mit der CGTP und den spanischen Gewerkschaften im November verweigert, an dem sich aber einzelne UGT-Gewerkschaften beteiligten. "Der Widerstand wird sich verschärfen", kündigte Silva angesichts neuer Sparpläne der Regierung an.
Der großen, kommunistisch dominierten CGTP, die massive Mobilisierungen im Mai mit Blick auf einen Generalstreik angekündigt hat, bot er Gespräche an, um sich anzunähern und ein "Einvernehmen" herzustellen. Silvas Worte an den CGTP-Chef Arménio Carlos werden so interpretiert, dass es zum gemeinsamen Streik und vermutlich zum zweiten Generalstreik auf der gesamten iberischen Halbinsel kommen dürfte. Termin könnte der 30. Mai sein, weil die baskischen Gewerkschaften schon dazu aufrufen und er mit Protesten in ganz Europa gegen die von der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank verordneten Sparpolitik zusammenfallen würde.
Am späten Dienstag hatte Finanzminister Vítor Gaspar nach einer außerordentlichen Kabinettsitzung Dienstag erklärt, dass die Ausgaben Portugals zwischen 2014 und 2016 um weitere 4,7 Milliarden Euro gekürzt werden. Das sind fast drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. An welcher Stelle erneut gespart werden soll, ist unklar. Steuererhöhungen "scheinen ausgeschlossen", sagte Gaspar, womit er sie nicht definitiv ausschloss. Zuvor hatte der Präsident des Rechnungshofs Gulherme d'Oliveira Martins gesagt, das "Limit" sei erreicht, und Korrekturen gefordert. Portugal verzeichnete 2010 und 2011 die größten Steuererhöhungen in der EU, gab die europäische Statistikbehörde Eurostat gerade bekannt.
Gaspars Wortwahl machte deutlich, dass auf der Kabinettssitzung hart gestritten wurde. Sie dauerte deshalb sogar fast sechs Stunden. Die Regierungskrise aus dem vergangenen Jahr bricht zugespitzt neu auf. Mehrere Minister hätten sogar mit ihrem Rücktritt gedroht, weil sie den einseitigen Sparkurs nicht mehr mittragen wollen, war aus gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen. Schon 2012 hatte sich nach Massenprotesten der liberalkonservative Koalitionspartner CDS PP von der massiven Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer distanziert, um sie für Unternehmer zu senken. Auch Parteigänger von Ministerpräsident Pedro Passos Coelhos konservativer PSD hatten ihm im Kabinett die Gefolgschaft verweigert.
Der neue Streit wurde nun vertagt. Erst in den nächsten Tagen soll verkündet werden, wo die Schere angesetzt werden soll. Die Regierung gibt aber schon zu, dass damit die Rekordarbeitslosigkeit von derzeit 17,5 Prozent 2014 sogar auf 18,5 Prozent steigen wird. Junge Menschen trifft das besonders hart, schon jetzt sind fast 40 Prozent arbeitslos. Zudem werde 2013 die Wirtschaft erneut um 2,3 Prozent schrumpfen. Ob es bei diesen Einsparungen bleibt, ist ebenfalls unklar. Wegen gefährlicher Spekulationsgeschäfte in Staatsbetrieben sind Löcher in deren Finanzen aufgetaucht, die auf bis zu drei Milliarden Euro geschätzt werden.
Die Lage für die Regierung wird immer ernster, nachdem auch die Sozialisten (PS) ihr die Unterstützung beim Sparkurs entzogen und kürzlich einen Misstrauensantrag im Parlament gestellt haben. Das hat auch der UGT den Weg zu Aktionen mit der CGTP geebnet. Ein neuer und größerer Generalstreik, so erwarten Beobachter, werde die Widersprüche in der Regierung aufbrechen lassen, weil Coelho weiter am strikten Sparkurs festhält. Doch der wird immer stärker in der EU-Kommission und auch großen Mitgliedsländern wie Italien und Frankreich in Frage gestellt. In Portugal führte er 2012 ohnehin nur dazu, dass das Haushaltsdefizit wie beim spanischen Nachbarn wieder gestiegen ist, anstatt zu sinken.