IS-Terror: Was sagen Muslime darüber?
Auch die Organisationen deutscher Muslime verurteilen eindeutig den Terror des IS in Syrien sowie im Irak und rufen zur Solidarität mit den Christen auf
Haben Muslime Schwierigkeiten, sich von der in Syrien und Irak wütenden Terrororganisation IS zu distanzieren? Wenn man dem deutschen Stammtisch lauscht oder einen Blick ins Telepolis-Forum wirft, könnte man diesen Eindruck bekommen. So beschwerten sich verschiedene Leser anlässlich meines gestrigen Berichts über die Fatwas gegen IS, das sei ja etwas spät, und bei den deutschen Moslems herrsche Schweigen.
Ich war etwas überrascht, denn die Fatwas, über die ich schrieb, waren teils schon vom Juli. Aber vielleicht hätte ich das ausdrücklich erwähnen und mich nicht darauf verlassen sollen, die Leser würden bei entsprechenden Fragen schon den angebotenen Links folgen.
Auch hatte ich mit dem Hinweis, nur englischsprachige Seiten durchsucht zu haben, andeuten wollen, dass es sich nur um eine kleine Auswahl handeln kann. Leider bin ich außer des Englischen weder des Arabischen, noch des Urdu, des Französischen, der Bahasa Melayu noch sonst einer Sprache mächtig, in der man sinnvoller Weise nach Meldungen über entsprechende Fatwas suchen müsste.
Was ich allerdings versäumt habe, ist, mal bei den deutschen Moslems vorbeizuschauen, von denen, so die Kritik eines Lesers, nichts zu hören sei. Auch hier das gleiche Ergebnis: Der Zentralrat der Deutschen Muslime (ZMD) hatte sich längst geäußert:
"Die Vertreibung der irakischen Christen durch die terroristische ISIS ist ein Akt des Unrechtes, ist gegen den Islam, verstößt gegen internationales Recht und gegen die Menschlichkeit“, eklärte der Vorsitzende des ZMD, Aiman Mazyek schon am 31. Juli. Sein Verband begrüße es "außerordentlich, dass sich namhafte muslimische Gelehrte und Gruppen vor Ort hier eindeutig positioniert haben und gegen dieses Vorgehen protestieren“.
Es fragt sich, weshalb die deutsche Öffentlichkeit davon keine Notiz nimmt. Eine Suche mit Google ergibt, dass diese zentrale Aussage der ZMD-Presseerklärung von keiner großen Zeitung oder einem anderen Medium zitiert wird. Kaum vorstellbar, dass der Verband seine Erklärungen nicht streut. Aber selbst wenn: Eigentlich sollte man erwarten, dass Journalisten von sich aus mal auf die Idee kommen nachzufragen. Doch offensichtlich sitzen in den Inlandsredaktionen keine Leute, die sich unter den Muslimen auskennen, die immerhin vier Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Die Position des ZMD lässt jedenfalls an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
"Mitmenschlichkeit und Solidarität mit Menschen in Not sind essentielle Charaktereigenschaften des Menschseins. Sie sind darüber hinaus zentrale Lehren der abrahamitischen Religionen. Ein Jude, Christ oder Muslim sollte diese Lehren seiner Religion weder einem tagespolitischen Zeitgeist, noch einer falsch verstandenen Verbundenheit mit Glaubensgeschwistern, die ein eklatantes Unrecht begehen, unterordnen. Mitmenschlichkeit und Solidarität sind keine Werte, die nur einseitig eingefordert werden können. Wer Frieden will macht diese Werte zum allgemein verbindlichen und verpflichtenden Maßstab, an dem wir uns alle - Juden, Christen und Muslime - messen lassen müssen, wann und wo auch immer Menschen in Not geraten."
Aiman Mazyek
In diesem Sinne unterstützt der ZMD den Auruf der Deutschen Muslim Liga, die Petition "Helfen wir den Christen im Irak!" zu unterschreiben. Die Liga schreibt auf ihrer Seite dazu:
"Wer einem Vertragsverbündeten (Nichtmuslim im islamischen Land) Unrecht antut, ihn diskriminiert, ihm etwas auferlegt, was er nicht vermag oder ihm etwas ohne seine freiwillige Zustimmung wegnimmt, gegen diesen werde ich der Ankläger am Tage der Auferstehung sein (überliefert von Abu-daawuud).
(…) Das Thema erscheint uns trotz unserer tiefen Trauer um Syrien und Gaza sehr wichtig, da die Vertreibung der irakischen Christen durch die terroristische ISIS gegen den Islam ist, gegen das Gewohnheitsrecht, gegen das internationale Recht, gegen die Menschlichkeit, einfach ein großes Unrecht gegen alles ist."
Deutsche Muslim Liga
Ansonsten findet man interessanter Weise auf deutschen islamischen Seiten auch mehr Informationen über die orientalischen Christen als in mancher Mainstream-Zeitung. So berichtet die Seite IslamiQ zum Beispiel von einer bemerkenswerten Kritik des melkitischen Patriarchen von Antiochia, Gregorius III. Laham, an der Politik der europäischen Regierungen.
Statt die orientalischen Christen nach Europa zu holen, sollten sie mehr Politik der Versöhnung zwischen Muslimen und Christen betreiben. "Wir brauchen nicht jemanden, der uns aufnimmt, sondern jemanden, der uns hilft, in unserem Land zu bleiben!“, habe Laham der libanesischen Tageszeitung Daily Star gesagt. "Wir möchten in unserem Land sein und an der Seite unserer muslimischen Brüder leben, trotz aller Probleme.“ Mit ihrer gescheiterten Nahost-Politik würden die europäischen Länder Muslime und Christen spalten, statt tatsächliche Lösungen zu einem friedlichen Miteinander anzubieten. Man müsse sich gemeinsam gegen Terroristen solidarisieren und Verbrechen bekämpfen, erklärte der katholische Würdenträger.