IWF gesteht: Statt Griechenland wurden Banken gerettet
IWF-Chefökonom Olivier Blanchard gibt zu, dass zwei Drittel der "Rettungsgelder" an internationale Gläubiger gegangen sind
Wortreich und in vielen Sprachen gleichzeitig versucht sich der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) für den Kurs zu verteidigen, der in Griechenland unter Führung des IWF gefahren wurde. Tatsächlich verteidigt Olivier Blanchard vor allem sich selbst, denn der Franzose hat federführend an der Ausarbeitung des Programms mitgewirkt. Ohne es vermutlich zu wollen, macht er nun aber öffentlich, dass man es vor allem mit einer umfassenden getarnten Bankenrettung zu tun hatte, wie auch frühzeitig kritisiert wurde.
"Die Finanzierung für Griechenland wurde benutzt, um ausländische Banken zu bezahlen", fasst er die Kritik an der "Rettung" richtig zusammen, die immer wieder geübt wurde. Er versucht aber in seinen Ausführungen herauszustellen, dass die Griechen irgendwie auch von der "Rettung" profitiert haben sollen. "Die Rettung hat nicht nur ausländische Banken begünstigt, sondern ein Drittel der Schulden befanden sich in Händen von griechischen Banken und Finanzinstituten, womit auch die griechischen Haushalte und Sparer begünstigt wurden."
Er räumt damit also eines ohne Umschweife ein: Mit wenigstens zwei Dritteln der Hilfsgelder, mit denen angeblich Griechenland gerettet worden sein soll, wurden internationale Gläubiger ausgezahlt und private Schulden durch Schulden an öffentliche Kreditnehmer ersetzt. Und es ist bekannt, dass davon ein großer Teil an deutsche und französische Institute geflossen ist. So blieb also bestenfalls ein Drittel für Griechenland, mit dem wiederum vor allem griechische Banken gerettet wurden. Man kann sich deshalb ausrechnen, dass bisherige zirkulierende Zahlen korrekt sind, wonach nur etwa 10% der Hilfsgelder bei der Regierung angekommen ist. Was davon bei der Bevölkerung ankam, darf angesichts der verbreiteten Korruption in konservativen und sozialdemokratischen Vorgängerregierungen auch gefragt werden.
Und Blanchard geht noch weiter. Er gibt auch zu, dass der ohnehin viel zu schwache Schuldenschnitt für Griechenland zwei Jahre zu spät kam und eben den Schuldenstand real nicht verringert hat. Daran ändert auch nichts, dass die Schulden bei privaten Kreditgebern auf 200 Milliarden Euro gesenkt worden seien. Er begründet den verspäteten Haircut mit der Angst vor einer Ansteckung, die andere europäische Länder hätte treffen können.
Nicht die Sparmaßnahmen, sondern die schlechte Politik wird verantwortlich gemacht
Die Kritik, dass die Strukturreformen schädlich für das Wachstum gewesen wären und mit dem Austeritätskurs in die Depression geführt hätten, will er so nicht annehmen. Blanchard gibt zwar erneut zu, dass die Wirtschaft viel stärker als erwartet eingebrochen ist, was die Schuldentragfähigkeit weiter verringert hat, doch auch dieses mea culpa schwächt er wieder ab.
Dafür sei weniger die Sparpolitik verantwortlich gewesen, sondern vielmehr schlechte Politik, ungenügende Reformen, Sorgen vor dem Grexit, niedrige Zuversicht der Unternehmer und die Schwäche der griechischen Banken. Reformen an der Steuerbürokratie, an den Arbeitsmärkten für viele Berufe, der Pensionen, des Justizwesens und der Tarifpolitik hätten nicht oder nur halbherzig stattgefunden. Zum Teil hätte man komplette Fehlschläge erlitten, wenn es ums Steuerzahlen oder um Verbesserungen im Steuerwesen ging. Doch was erwartet Blanchard? Wenn Löhne gekürzt und Steuern erhöht werden, steigt der Druck weiter, Steuern nicht zu bezahlen. Und es waren die Regierungen, die vom IWF und der Troika gestützt wurden, die für dieses Scheitern verantwortlich sind.
Mit seinem Chefökonom glaubt der IWF weiter, dass es eine Lösung für Griechenland geben könne. Die IWF-Chefin Christine Lagarde hatte ja die Tage schon eine Umschuldung in die Debatte geworfen. Wie schon herausgearbeitet wurde, liegt der IWF damit erneut falsch und zieht keine Konsequenzen aus bisherigen Fehlern. Dabei ist klar, dass dem Land nur durch eine wirkliche und frühzeitige Entschuldung eine wirkliche Chance gegeben wird, statt einer verspäteten und zaghaften. Und wenn nun, so wird ja behauptet, keine Ansteckungsgefahr mehr droht, wäre das der richtige Zeitpunkt.
Der IWF-Versuch war dagegen stets ein Unding, die Verschuldung des Lands bis 2020 wieder auf 120% der Wirtschaftsleistung zu senken. Denn damit wäre man in fünf Jahren nur an den Ausgangspunkt zurückgekehrt, an dem die erste "Rettung" begann. Und sogar dieses Ziel war mit dem IWF-Programm illusorisch, wie immer wieder festgestellt wurde.
Nach Blanchards Meinung stehe die Eurozone vor der Wahl, den Griechen weniger Reformen und tiefere haushaltspolitische Ziele durchgehen zu lassen. Dafür müssten die Gläubigerstaaten höhere Kosten in Kauf nehmen, womit er durch die Blume vielleicht doch einen Schuldenschnitt fordert. Den IWF nimmt er vorsichtshalber schon einmal aus, wenn er von Staaten spricht. Empfehlungen will der IWF hier genauso wenig abgeben, wie er für das angerichtete Desaster keine Verantwortung übernehmen will.
Wäre ein Grexit wirklich die schlechteste Lösung für Griechenland?
Ein Grexit wäre, daran hat Blanchard keinen Zweifel, die schlechteste Lösung für Griechenland und für seine Kreditgeber. Dass er auch den geostrategischen Interessen der USA, die weiter den Ton im IWF angeben, entgegensteht, sagt er nicht. Für die Gläubigerstaaten dürfte der Grexit tatsächlich teuer werden, denn die Kreditgeber müssten real viel Geld abschreiben. Da über die IWF-Strategie die Schulden von privaten Geldgebern vor allem auf die Steuerzahler abgewälzt wurden, würden also diese erneut zur Kasse gebeten.
Ob ein Grexit für Griechenland die schlechteste Lösung wäre, darf bezweifelt werden. Ein entschuldetes Griechenland dürfte außerhalb des Euro wieder mit einer eigenen Währung auf die Beine kommen. Vielleicht ist das sogar die einzige Möglichkeit für das Land. Griechenland könnte seine Konkurrenzfähigkeit und Attraktivität für Touristen mit einer vergleichsweise günstigen Währung steigern und müsste nicht ständig eine innere Abwertung über Lohndumping betreiben, die eine Spirale aus Deflation und Depression antreibt.
Da sich Importe aus anderen Währungsräumen deutlich verteuerten, würde auch die nationale Produktion angeschoben. Die Programme der Troika oder des IWF (wenn auch abgeschwächt) verlängern ohne einen Schuldenschnitt nur das Leiden, ohne eine reale Perspektive auf Verbesserungen zu bieten. Die Bevölkerung hat sich klar gegen weitere Austeritätsprogramme ausgesprochen, die Syriza offenbar nun zu akzeptieren bereit ist. Damit strebt die Partei auf eine Spaltung zu und setzt die Unterstützung der Bevölkerung aufs Spiel, ihre stärkste Waffe.