IfZ setzt Arbeit an wissenschaftlicher Edition von "Mein Kampf" in eigener Verantwortung fort
Die bayerische Staatskanzleichefin Christine Haderthauer hatte dem renommierten Forschungsinstitut gestern mit Strafanzeigen gedroht
Am 1. Januar 2016 wird Adolf Hitlers Bestseller Mein Kampf gemeinfrei. Dann kann die bayerische Staatsregierung, die die "geistigen Eigentumsrechte" des ehemaligen Reichskanzlers beansprucht, Neuauflagen nicht mehr mit Verweis auf das Urheberrecht verhindern. Um den Markt nicht den Hitlerfans zu überlassen, hatte der bayerische Finanzminister Markus Söder die Herstellung einer kritisch kommentierten Neuauflage am Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) bezuschusst, die sich nicht nur an Historiker, sondern auch an Lehrer und die interessierte Öffentlichkeit richten sollte.
Am Mittwoch verlautbarte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer nach Gesprächen mit seinem Innenminister Joachim Herrmann und seinem Justizminister Winfried Bausback allerdings, dass er das bayerische Staatswappen nicht in der Neuauflage von Mein Kampf sehen möchte, weil das seiner Ansicht nach nicht zum NPD-Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht passt. Seine Staatskanzleichefin Christine Haderthauer meinte in diesem Zusammenhang, das Projekt sei "gestoppt" und man werde auf jede Neuauflage mit Strafanzeigen wegen Volksverhetzung reagieren.
Beim IfZ – auf dessen Gutachten die Bundesländer beim NPD-Verbotsantrag zurückgreifen – lässt man sich durch diese Drohung nicht von dem Vorhaben abbringen: Andreas Wirsching, der Direktor des renommierten Instituts, erklärte auf die Äußerungen Seehofers und Haderthauers hin, man sei eine "unabhängige Forschungseinrichtung". Deshalb werde man die "wissenschaftliche Erschließung" dieser "zentrale[n] Quelle zur Geschichte des Nationalsozialismus […] in eigener Verantwortung weiter verfolgen" und die wissenschaftlich kommentierten Edition "fristgerecht zum Ablauf der urheberrechtlichen Sperrfrist Ende 2015 veröffentlichen".