Japan: Der Ritt auf dem Vulkan

Fast zwei Jahre nach dem Abschalten des letzten Reaktors wurde auf Nippon wieder die Kettenreaktion in einem AKW gestartet

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In Japan hat die Kyushu Electric Power Co. am Dienstag ungeachtet von örtlichen Protesten und Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten einen der beiden Reaktoren des AKW Sendai wieder in Betrieb genommen, wie diverse Zeitungen berichten. Ein weiterer Reaktor soll im Oktober folgen.

Die Japan Times schreibt, dass das AKW mehr oder weniger am Fuße eines Vulkanes liegt und Lavaströme ihn im Falle eines Ausbruchs erreichen könnten. Einen solchen hielten die Behörden aber für die nächsten Jahrzehnte für unwahrscheinlich. Der Betreiber musste daher nicht einmal einen Notfallplan vorlegen, wie gegebenenfalls die Kühlung gesichert und die Brennstäbe in Sicherheit gebracht werden könnten.

Wenn sich die ersten Anzeichen eines drohenden Ausbruchs zeigten, sei für die entsprechende Planung noch immer genug Zeit. In Anbetracht der erheblichen Schwierigkeiten, die Geowissenschaftler auch nach Jahrzehnten der Forschung noch immer mit der Vorhersage vulkanischer Eruptionen haben, scheint das allerdings höchst fraglich.

Schon im September 2014 hatten die Atomaufsichtsbehörden grünes Licht für das Wiederanfahren der beiden Reaktoren im AKW Sendai gegeben, allerdings habt der anhaltende Widerstand von Teilen der Bevölkerung und auch lokaler Politiker die Umsetzung bisher verhindert. Während die rechtskonservative Regierung unter Premierminister Abe möglichst viele von Japans stillstehenden Reaktoren wieder ans Netz bringen will, ist die Mehrheit der Bevölkerung noch immer gegen den Weiterbetrieb der Anlagen.

In einer landesweiten Meinungsumfrage hatten sich 2013 59 Prozent der Befragten gegen die Regierungspolitik ausgesprochen. Befragungen in der Nachbarschaft des AKW Sendai ergaben, dass in dem unmittelbar betroffenen Bezirk 49 Prozent für und 44 Prozent gegen die Wiederinbetriebnahme sind. In den Nachbarbezirken, die im Zusammenhang mit der Atompolitik keine Zuwendungen der Regierung in Tokio erhielten, waren nur 34 Prozent für das Anschalten des Reaktors, aber 58 Prozent dagegen. Landesweit war die Ablehnung mit 57 Prozent ähnlich groß.

Die Regierung hält jedoch bisher trotz des Widerstands in der Bevölkerung an ihren Plänen fest. 43 Reaktoren gelten nach Ansicht der japanischen Behörden noch als funktionsfähig. Neben dem nun im Betrieb genommenen Reaktor laufen nach einem Bericht der World Nuclear Association für 23 weitere derzeit bereits Genehmigungsverfahren.

Nach der dreifachen Reaktor-Havarie vom 11.März 2011 waren Japans AKW nach und nach abgeschaltet worden. Für gewöhnlich liefen sie noch bis zur etwa einmal im Jahr anstehenden Revision und erhielten dann keine Genehmigung für das Wiederanfahren. Seit fast zwei Jahren kommen die Inseln gänzlich ohne Atomstrom aus. Da es jedoch noch an ausreichenden erneuerbaren Energieträgern mangelt, mussten vermehrt Kohle und Erdgas eingeführt werden.