Japan: Friedensdemos im ganzen Land
Proteste richteten sich gegen neuen US-Stützpunkt und gegen die Militärpolitik der rechten Regierung. Die Jugend politisiert sich
In verschiedenen japanischen Städten ist es am Wochenende erneut zu Friedensdemonstrationen gekommen, die sich gegen den Bau eines neuen Stützpunktes der US-Streitkräfte und gegen die Militarisierung der Außenpolitik richteten. In der Hauptstadt Tokio umzingelten nach Angaben der Japan Times 28.000 Menschen die Diet, das japanische Parlament. In Toyama, Okayama, Sapporo, Nagoya und Osaka fanden weitere Demonstrationen statt, die sich ebenfalls gegen den Neubau in der Henoko-Bucht auf Okinawa richteten.
Dessen Gegner führen zum einen den Umweltschutz ins Feld. Unter anderem würden durch Aufschüttungen an der Küste wertvolle Korallenriffe zerstört. Zum anderen geht es ihnen aber vor allem um eine Reduktion der auf Okinawa stationierten Truppen, unter denen die Bevölkerung seit Jahrzehnten leidet. (Hier eine Karte, die eindrucksvoll zeigt, in welchem Umfang verschiedene US-Stützpunkte die Insel beherrschen.)
Die Stützpunkte liegen auf der dicht besiedelten Insel oft in unmittelbarer Nähe von Städten und Dörfern. Entsprechend klagen die Einwohner über erhebliche Lärmbelästigung durch Hubschrauber, Flugzeuge und anderes Militärgerät. Okinawa hat 1,23 Millionen Einwohner und ist mit 1.208 Quadratkilometern um rund ein Drittel größer als Berlin. 18 Prozent der Fläche werden von US-Stützpunkten belegt. Bei deren Nachbarn stößt insbesondere sauer auf, dass US-Soldaten im Falle von Unfällen oder kriminellen Delikten nicht der japanischen Gerichtsbarkeit unterstehen. (Siehe auch Japan: Streit um US-Stützpunkte.)
Gleichzeitig zu den Demonstrationen gegen den US-Stützpunkt fanden in Tokio und in 13 weiteren Präfekturen Schülerdemonstrationen gegen den Ausbau der japanischen Armee und gegen die von der Regierung angestrebte Änderung der Verfassung statt, die bisher das Führen von Angriffskriegen verbietet. In Tokio gingen dem eingangs verlinkten Bericht zufolge 5.000 Gymnasiasten auf die Straße, über die anderen Orte ist nichts bekannt.
Die Schüler-Proteste waren Teil einer seit Monaten anhaltenden Kampagne von Jugendgruppen gegen die autoritäre Politik der Regierung und deren Militarismus. Im vergangenen Jahr hatte es bereits wiederholt kleinere und größere Proteste gegen die Änderung der Verfassung gegeben. Ende August waren in Tokio nach Veranstalterangaben 120.000 Menschen auf die Straße gegangen. (Siehe auch Japan: Proteste gegen Militäreinsätze im Ausland.)
Nicht alle Demonstranten waren Jugendliche, doch spielen diese bei den Protesten eine seit langem nicht mehr gesehene Rolle. Einige Beobachter sprechen schon von den größten Jugendprotesten seit den 1960er Jahren. Maßgeblichen Einfluss scheint eine Jugendorganisation namens SEALD (Students Emergency Action for Liberal Democracy) zu haben, die gegen Autoritarismus in der Politik, Militarisierung und für eine bessere soziale Grundversorgung für alle streitet.
Der Gewaltverzicht der japanischen Verfassung (Artikel 9) geht noch über das Verbot eines Angriffskrieges des deutschen Grundgesetzes (Artikel 26) hinaus, das im übrigen hierzulande schon fast in Vergessenheit geraten ist und von diversen Regierungen seit 1998 missachtet wird. Die japanischen Verfassung stellt eindeutig fest: "Das Recht des Staates, Krieg zu führen, wird nicht anerkannt." Um internationale Konflikte zu lösen, dürfe keine Gewalt angedroht werden, und weiter: "(...) Land-, See- und Luftstreitkräfte (…) werden niemals unterhalten werden." Wie man am Beispiel der sogenannten japanischen Selbstverteidigungskräfte sieht, nehmen es auch dortige Regierungen mit der Verfassung nicht so genau.