Japan: Neue Regierung sucht Unterstützung in den USA

Konfrontation mit China könnte sich für Tokio als Eigentor erweisen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf Japan dürften schwere oder zumindest bewegte Zeiten zukommen. Mitte Dezember hatten Parlamentswahlen die konservative Liberaldemokratische Partei LDP, Japans ewige Regierungspartei, nach nur drei Jahren Unterbrechung zurück an die Schalthebel der Macht gebracht. Das Land hat ein gemischtes Wahlsystem, das die großen Parteien extrem begünstigt. Von den 480 Sitzen des Abgeordnetenhauses werden 300 Sitze an Wahlkreiskandidaten mit den meisten Stimmen vergeben. Die übrigen 180 werden nach dem Verhältniswahlrecht verteilt, allerdings aufgeteilt auf elf Regionen.

So erklärt es sich, dass trotz einer inzwischen weit verbreiteten Abneigung gegen die mächtige Atomindustrie des Landes ausgerechnet jene Partei belohnt wurde, die dem Land seine Flotte von über 50 AKWs beschert hatte. Derart gründlich hatte die ebenfalls bürgerliche Regierungskoalition abgewirtschaftet, dass die Wähler dann lieber doch gleich das Original wählten.

Linke Parteien, von denen vor allem die Kommunistische Partei durchaus über eine gewisse Verankerung in der Bevölkerung verfügt, konnten nicht von ihrer klaren Anti-AKW-Positionierung profitieren. Die KP verlor einen Sitz und hat nun nur noch acht Parlamentarier im Abgeordnetenhaus, die Sozialistische Partei büßte drei Sitze ein und hat nur noch zwei.

Beide Parteien sind die eifrigsten Verfechter der "pazifistischen" Verfassung des Landes, die die militärischen Ambitionen satrk beschränkt. Eine von der Zeitung The Mainichi durchgeführte Umfrage unter den neuen Parlamentariern ergab, dass die große Mehrheit der neuen Abgeordneten für eine Revision der Verfassung ist, die Japan einen Ausbau seines Militärs erlauben würde.

Angesichts der in jüngster Zeit wieder wachsenden Spannungen mit China sind das nicht besonders erfreuliche Zeichen. Japan streitet sich mit der Volksrepublik und Taiwan um den Besitz einiger unbewohnter Inseln nördlich von Taiwan. Die Auseinandersetzung ist vor allem symbolischer Natur und lässt sowohl in der Volksrepublik selbst als auch in Hongkong und Taiwan regelmäßig antijapanisches Ressentiment hochkochen.

Beide Seiten haben sich inzwischen tief in die Angelegenheit verrannt. Nationalistische Stimmungen in den jeweiligen Ländern machen es für die Regierungen zunehmend schwer, eine Lösung zu finden, die nicht zugleich Gesichtsverlust bedeutet. Die Ankündigung der neuen Regierung in Tokio, sich vermehrt Rückendeckung in Washington holen zu wollen, macht die Sache zusätzlich kompliziert.

Die Frage ist allerdings, ob sich die neue LDP-Regierung mit einer aggressiveren Linie nicht in den eigenen Fuß schießen wird. Japans Ökonomie dümpelt nunmehr seit über 20 Jahren vor sich hin. Das Land ist hoch verschuldet und die Exportwirtschaft leidet unter einem zu hohen Kurs des japanischen Yen. Der einzige Lichtblick ist seit einigen Jahren das umfangreiche und wachsende Geschäft in und mit China, wo japanische Unternehmen inzwischen viel Kapital investiert haben.

Doch das könnte sich als Japans Achillesferse erweisen. Massive Proteste gegen die japanische Politik und Käuferboykott-Kampagnen, die die Regierung in Beijing lange gewähren ließ, haben im September und Oktober zu einem erheblichen Rückgang der japanischen Exporte in das Land der Mitte geführt. Auch die Verkäufe japanischer Produzenten im Lande litten erheblich, und Japan verzeichnete in den zurückliegenden Monaten zum ersten Mal seit rund 30 Jahren einen negative Handelsbilanz. Die Frage ist eigentlich nur, ob Beijing sich damit begnügt, Japan die Folterinstrumente zu zeigen, oder ob tatsächlich bereits die Daumenschrauben angezogen werden.