Juncker nimmt den Schlapphut
Luxemburger Geheimdienstskandal führt zu Neuwahlen
Obwohl der populäre Luxemburger Staatschef Jean-Claude Juncker noch im Laufe des Mittwochs einen Rücktritt ausschloss, kündigte der Premierminister an, am Donnerstag gegenüber dem Großherzog sein Rücktrittsgesuch einzureichen. Als Grund wird in der deutschen Presse überwiegend das Abhören von linken Oppositionellen genannt, sowie der Juncker offenbar entglittenen Geheimdienst Service de renseignement de l'État (SREL), der etwa Dienst-Luxuskarossen vertickte. Doch das Bespitzeln von des Kommunismus Verdächtigen dürfte aus deutscher Perspektive eine eher lässliche Sünde sein, denn etwa der deutsche Inlandsgeheimdienst "Bundesamt für Verfassungsschutz" lässt es sich nicht nehmen, selbst Mitglieder des Bundestags nachrichtendienstlich zu überwachen, wenn diese etwa der Linkspartei angehören.
Die eigentlichen Vorwürfe der Luxemburger resultieren nicht aus dem Geheimdienstausschuss, der nunmehr seinen Bericht vorlegte, sondern aus dem infamen Vertuschungsversuch von Junckers "Kronpinz" Luc Frieden, als Justizminister 2006 bei den Ermittlungen zur Bombenleger-Affäre Druck auf den Staatsanwalt und die Ermittlungsrichterin auszuüben. Auch führende Polizisten wollten nicht so recht ermitteln. Doch die Bombenleger-Affäre führte schließlich zur Anklage gegen zwei Ex-Elitepolizisten. Nach 57 Prozesstagen zeichnet sich ab, dass der Bombenserie zwischen 1984 und 1986 Insiderjobs zugrunde liegen müssen, wobei wenig für eine Schuld der beiden Angeklagten spricht. Ein weitaus besseres Motiv hätten der SREL bzw. die NATO gehabt, deren Handlungsspielraum durch die Anschläge erweitert wurde.
Der SREL hatte versucht, den ermittelnden Staatsanwalt mit Vorwürfen angeblicher Pädophilie mundtot zu machen und ihm eine Falle zu stellen. Schlagzeilen machte eine Unterredung zwischen Juncker und seinem damaligen SREL-Chef Marco Mille, der dieses Gespräch mit einer als Armbanduhr getarnten Wanze aufzeichnete. Gut möglich, dass Mille sich gegenüber Junckers möglicherweise fragwürdigen Aufträgen absichern wollte.
Der rebellische Strafverteidiger Dr. Gaston Vogel, der einen der beiden Angeklagten vertritt, hat die aktuellen Prism-Enthüllungen zum Anlass genommen, auch insoweit Juncker zu befragen. Am Dienstag hat ein Unbekannter die Eingangstür des temperamentvollen Anwalts mit einem Stein eingeschlagen. Nachbarn haben offenbar einen Mann um die 30 gesehen. Vogel berichtet sogar von Morddrohungen.