Kann man mit Fäkalien Präsidenten töten?
Polnischer Geheimdienst ermittelt gegen Computerspiele
Am 18. Mai erlebte Robert Frycz den vielleicht größten Schrecken seines bisher 25-jährigen Lebens. Um sechs Uhr morgens klingelten Beamte des polnischen Inlandsgeheimdienstes ABW an seiner Wohnungstür und präsentierten dem in Tomaszow Mazowiecki lebenden jungen Mann einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Sie traten in seine Wohnung ein, taten was sie laut der Justiz tun durften und beschlagnahmten einen Laptop und mehrere Festplatten.
Zwischendurch informierten die ABW-Beamten Robert Frycz auch über die Gründe für den überraschenden Besuch. Seit Februar, nachdem eine Privatperson ihn angezeigt haben soll, ermittelt die örtliche Staatsanwaltschaft gegen Frycz, die sich mit der Bitte an den ABW gewendet hat, ihr bei der Beweisaufnahme behilflich zu sein. Ein in Polen nicht üblicher Vorgang, denn nur bei besonders schweren Fällen wendet sich die Staatsanwaltschaft an die Agentur für Innere Sicherheit. Die Bekämpfung von Terrorismus, Verfolgung von Wirtschafts-, und Organisierter Kriminalität sowie Korruption und Gegenspionage gehören zu den eigentlichen Hauptaufgaben des Inlandsgeheimdienstes.
Robert Frycz hat sich keiner dieser Straftaten gemacht. Doch der ABW sah sich trotzdem gezwungen, gegen Frycz wegen Verhöhnung des polnischen Staatsoberhaupts vorzugehen. Auf der von ihm betriebenen Internetseite Antykomor.pl, die Frycz wenige Stunden nach der Visite des Inlandsgeheimdienstes aus dem Netz genommen hat, wurden nicht nur beleidigende Inhalte über den seit einem Jahr amtierenden Präsidenten Bronislaw Komorowski gesammelt, sondern es soll gar zum Mord an dem Staatsoberhaupt aufgerufen worden sein
Dies behauptet jedenfalls der ABW in einer Stellungnahme vom 22. Mai. "Auf der Internetseite waren auch zwei Spiele zugänglich mit den Titeln Komor-Killer und Komor-Szoter ... Wenn man Komor-Szoter öffnet, erscheinen Fotos des Präsidenten und der First Lady. Der Spieler steuert mit der Maus ein Zielrohr und wenn er auf die Maustaste drückt, gibt er einen Schuss auf die Abbildungen des Präsidenten oder dessen Ehefrau ab. Komor-Killer beruht darauf, solange auf die Abbildung des Präsidenten mit unterschiedlichen Gegenständen zu werfen (Fäkalien, Hammer etc.), bis dieser tot ist."
Ein Aufschrei der Empörung folgte durch die polnische Öffentlichkeit, als der Fall publik wurde. "Eine Macht, die sich vor Kritik und Spott fürchtet, ist nur lächerlich. Aber sobald sie sich mit Hilfe von Sicherheitsorganen vor Kritik und Spott schützen möchte, hört sie auf lächerlich zu sein", kommentierte beispielsweise die Gazeta Wyborcza, die normalerweise nicht zu den größten Kritikern der Tusk-Regierung und von Präsident Komorowski gehört.
Die lautesten Unterstützer fand Robert Frycz jedoch bei den Nationalkonservativen rund um Jaroslaw Kaczynski. "Zu unseren Zeiten drang die Polizei um 6 Uhr morgens in die Wohnungen von Mafiosi, gefährlichen Verbrechern oder der Korruption Verdächtigen ein", sagte der ehemalige Justizminister und heutige PiS-Europabgeordnete Zbigniew Ziobro in einem Interview, der sich erneut bestätigt fühlte, dass die jetzige Regierung jegliche Kritik mundtot machen möchte. Was Ziobro, Kaczynski und die gesamte PiS jedoch vergessen, ist ihre dünne Haut bezüglich Kritik und Satire, wie allein die mittlerweile berühmt-berüchtigte Kartoffel-Satire der TAZ vom Sommer 2006 beweist.
Kritik an der Aktion war aber nicht nur von den Medien und der Opposition zu hören, sondern auch von der Regierung, auch wenn diese nur halbherzig war. Als übertrieben bezeichnete Premierminister Tusk die Aktion des ABW, der nicht das erste Mal für negative Schlagzeilen sorgte, ohne jedoch den Inlandsgeheimdienst zum Schuldigen zu machen: "Sie sind Opfer der ungenauen Rechtslage."
Doch hier könnte sich Tusk irren. Wie die Tageszeitung Rzeczpospolita herausfand, hat nicht eine Privatperson Robert Frycz bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, sondern der ABW selber hat die strafrechtlichen Ermittlungen ins Rollen gebracht. Seit einem tödlichen Anschlag auf ein PiS-Büro in Lodz im Oktober vergangenen Jahres, durchsucht der ABW das Internet nach politisch kritischen Seiten und erfüllt auch so eine Forderung der neuerdings Meinungsfreiheit liebenden PiS.
Dementsprechend war vergangene Woche auch die -przeszukanie-zgodnie-z-prawem.html: Entscheidung des Gerichts in Tomaszow Mazowiecki, wonach das Vorgehen des ABW rechtmäßig gewesen ist. Doch Robert Frycz will seinen Kampf nicht aufgeben. Er gründete nicht nur ein Komitee zu Verteidigung der Meinungsfreiheit, sondern zeigte Anfang dieser Woche den ABW bei der Staatsanwaltschaft an. Und auch im Netz ist Frycz wieder aktiv.
Seit dem 7. Juni ist Antykomor.pl wieder online, jedoch ohne die vom ABW beanstandeten Spiele, was den Erfolg der Seite dennoch nicht mindern konnte. Während Antykomor.pl im Mai gerade mal 400 Besucher hatte, klickten allein am ersten Tag der Reaktivierung weit über eine Million Internetuser die Seite an. Um aber weitere Maßnahmen durch die polnischen Sicherheitsorgane zu vermeiden, betreibt Frycz Antykomor.pl sicherheitshalber von einem amerikanischen Server aus.