Kein russisches Alleinstellungsmerkmal

Auch in der EU und in den USA gibt es Einreiseverbotslisten

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Für den Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit ist ein Einreiseverbot keine neue Erfahrung. Schließlich wurde er als "deutscher Anarchist" 1968 aus Frankreich ausgewiesen und durfte ein Jahrzehnt nicht in das Land einreisen, in dem er geboren wurde und 13 Jahre seiner Kindheit verbracht hatte.

Im letzten Jahr soll gegen den ehemaligen Odenwaldschüler ein neues Einreiseverbot verhängt worden sein. Dieses Mal nach Russland. Er gehört nämlich zu den 89 Politikern und Behördenvertretern aus verschiedenen EU-Staaten, deren Namen auf einer geleakten Liste stehen. Zu den dort aufgeführten Personen gehören auch Verteidigungsstaatssekretärin Katrin Suder, die Bundestagsabgeordneten Michael Fuchs und Karl-Georg Wellmann (beide CDU), der CSU-Politiker Bernd Posselt, die Grünen-Europaparlamentarierin Rebecca Harms und der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Karl Müllner.

Auch Politiker und Spitzenbeamte aus anderen EU-Staaten stehen auf der Liste, darunter der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Robert Kupiecki, der Vorsitzende der liberalen Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt, der frühere tschechische EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle und der bisherige britische Vize-Premierminister Nick Clegg, der nach den Wahlen aus den britischen Kabinett ausschied.

Die Tatsache, dass sich auch die Chefin der schwedischen Steuerbehörde, Eva Lidström Adler, auf der Liste findet, überrascht nur bedingt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch die EU Einreiseverbote gegen zahlreiche russische Geschäftsleute verhängte.

Der wegen merkwürdiger Verbindungen zum britischen Geheimdienst umstrittene CDU-Politiker Michael Fuchs nahm die Einreisesperre gelassen: "Ich kann gut damit leben, gibt Schlimmeres", twitterte er. Cohn-Bendit fühlte sich von Russland als "Kämpfer gegen den Totalitarismus" geehrt. Der CDU-Politiker Karl-Georg Wellmann, der am Moskauer Flughafen umkehren und wieder nach Deutschland zurückreisen musste, forderte Russland auf, die Listen mit den Einreisesperren offenzulegen, damit die betroffenen Personen nicht umsonst die Reise antreten. Der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge haben europäische Regierungen diese Liste allerdings längst erhalten.

Russland ist nicht das einzige Land, das sich mit Einreisesperren schützt. Die USA führen ebenfalls eine Einreiseverbotsliste, die sie nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001 deutlich erweiterten. Diese US-Liste wird nicht offengelegt und es ist nicht möglich, dagegen zu klagen. Deshalb gab es in den letzten Jahren immer wieder Einreisewillige, die erst vor Ort erfuhren, dass gegen sie ein Einreiseverbot in die USA besteht.