Kirgisen gegen Usbeken
Nach Zusammenstößen zwischen den beiden Volksgruppen hat die Interimsregierung von Rosa Otunbajewa den Ausnahmezustand verhängt
Nach Zusammenstößen zwischen Kirgisen und Usbeken in der Stadt Dschalalabat verhängte die kirgisische Regierung den Ausnahmezustand, der auch eine nächtliche Ausgangssperre beinhaltet, und erhöhte die Gehälter der Sicherheitskräfte um 50 bis 80 Prozent. Gleichzeitig gab sie dem im April gestürzten Staatspräsidenten Kurmanbek Bakijew die Schuld an den Vorfällen, bei denen es nach Angaben des Gesundheitsministeriums zwei Tote und 74 Verletzte gab, verschob die für Oktober angekündigten Wahlen um ein Jahr und verlautbarte, dass Interims-Staatschefin Rosa Otunbajewa bis mindestens Ende 2011 geschäftsführend im Amt bleiben werde. Dies soll durch ein Referendum bestätigt werden, das zusammen mit der Abstimmung über eine neue Verfassung am 27. Juni abgehalten wird.
Usbeken bilden mit etwa 15 Prozent der Bevölkerung noch vor den Russen die größte ethnische Minderheit Kirgisistans. Sie leben dort vor allem im Ferganatal, das 1924 zwischen der usbekischen und der kirgisischen SSR aufgeteilt wurde und in dem auch Dschalalabat liegt. Kirgisen und Usbeken sind sich eigentlich nicht unähnlich: Beides sind sunnitische Turkvölker. Trotzdem hatten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Volksgruppen bereits während des Zusammenbruchs der Sowjetunion mehrere hundert Todesopfer gefordert.
Die jüngsten Unruhen brachen aus, als sich mehrere Tausend kirgisische Demonstranten vor der vom usbekischen Oligarchen Kadyrjan Batyrow finanzierten "Volksfreundschaftsuniversität" versammelten, die der Minderheit als Zentrum dient. Dort forderten sie entweder die Verhaftung oder die Herausgabe Batyrows, den sie beschuldigten, als Anführer eines Mobs am 14. Mai das Haus des gestürzten Präsidenten Bakijew in dem nahe der Stadt gelegenen Dorf Teyit in Brand gesteckt zu haben. Vor dieser Brandstiftung hatten - wie in zwei anderen Regionen im Süden das Landes - mehrere hundert Bakijew-Anhänger zeitweise den Sitz der Provinzregierung besetzt, waren aber von usbekisch dominierten Unterstützern der Interimsregierung vertrieben worden.
Angeblich warfen die kirgisischen Demonstranten vor der "Volksfreundschaftsuniversität" Steine und wollten das von Polizisten abgeschirmte Gebäude stürmen oder in Brand stecken, was ihnen jedoch nicht gelang. Stattdessen fielen Schüsse, von denen nicht klar ist, wer sie abgab. Allerdings scheint der Großteil der Verletzten aus den Reihen der Kirgisen zu stammen. In Folge dieser Ereignisse sprach Provinzgouverneur Bektur Asanow vor 5.000 Personen in der Pferderennbahn der Stadt, wurde aber aus der Menge heraus, die innerhalb einer Frist von 24 Stunden die Ermittlung und Bestrafung der Schützen forderte, angegriffen und misshandelt. Der ebenfalls anwesende Verteidigungsminister Ismail Isakow trug leichtere Verletzungen davon.
Trotz der Zusammenstöße öffnete Kirgisistans nördlicher Nachbar Kasachstan am Mittwoch seine seit dem Machtwechsel im April geschlossene Grenze wieder. Weil die meisten Im- und Exporte über Kasachstan laufen, hatte die kirgisische Interimsregierung die Schließung als "Wirtschaftsblockade" kritisiert. Die westliche Grenze nach Usbekistan bleibt weiterhin gesperrt.