Klimakabinett: Verzögern, Vertagen und Wegducken
Die bei den EU-Wahlen zusammengestauchte Groko hat noch immer nicht die Zeichen an der Wand erkannt
Von wegen Klimakabinett. Die Berliner Koalition übt sich nach der EU-Wahl weiter in Vogel-Strauß-Politik. Zusammen erhielten die Regierungsparteien gerade noch etwas über 40 Prozent, hätten – ginge es um den Bundestag – bei einem ähnlichen Wahlergebnis nicht einmal mehr die Mehrheit. Dennoch versuchen sie sich einfach wegzuducken und spielen beim Thema Klima weiter auf Zeit.
Das sogenannte Klimakabinett hat sich nach seiner ersten Sitzung am Mittwoch vertagt. Erst im September soll es über "Grundsatzentscheidungen" befinden, berichtet der Stern. Zur Debatte stehen demnach höhere Prämien für kleine Elektroautos, günstigere Bahntickets und milliardenschwere Steuererleichterungen für Gebäudesanierungen.
Hört sich eigentlich nicht nach Grundsätzlichem an, aber immerhin scheint auch ein Klimagesetz darunter zu sein. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte zu Beginn der Woche endlich ihren Entwurf an die anderen Ministerien weitergegeben. Bis zum Jahresende soll dann, wie die Tagesschau schreibt, das Bundeskabinett über die endgültigen Entwürfe abstimmen. Im Parlament wäre es denn erst Anfang 2020.
Union und SPD setzen darauf, dass sich die Klimaproteste totlaufen
Die diesjährige UN-Klimakonferenz ist dann schon vorbei. Offensichtlich hat die Bundesregierung nicht vor, dort mit eigenem Engagement zu punkten. Union und Sozialdemokraten setzen eher darauf, dass sich die Klimaproteste totlaufen.
Das wäre Angela Merkels bewährte, von ihrem Mentor Helmut Kohl abgeschaute Taktik des Aussitzens. Ob diese allerdings in Krisenzeiten erfolgreich ist, dürfte eher zweifelhaft sein. Auf jeden Fall wird sie aber die Frustration potenzieren. Vor allem, weil einige meinen auch noch alte Ladenhüter wieder hervorzaubern zu müssen.
Der Direktor des Potsdamer Geoforschungszentrums Reinhard Hüttl möchte die Diskussion über das Einfangen und Einlagern von CO2 wieder beleben, wie die Tagesschau an anderer Stelle berichtet. Mit erheblichen Energieaufwand soll CO2 den Kraft- und Zementwerkeabgasen entzogen, verflüssigt und in tiefe Bodenschichten eingepresst werden. CCS nennt man das in Fachkreisen: Carbon Capture and Storage.
Ende des letzten Jahrzehnts war das mal kurzfristig der Joker, mit dem der Öffentlichkeit neue Kohlekraftwerke schmackhaft gemacht werden sollten. Jetzt scheint es der Strohhalm zu sein, an den sich Politiker der untergehenden Altparteien klammern, nur um nicht endlich eine radikale Umkehr in der Energie-, Industrie- und Verkehrspolitik einleiten zu müssen.
CCS: Ideales Instrument, um Klimaschutz noch weiter hinauszuzögern
Auf jeden Fall ist die Technik noch immer nicht ausreichend erforscht und einsatzreif, die sichere, nicht das Grundwasser gefährdende Einlagerung im Untergrund keineswegs nachgewiesen, das ganze ziemlich teuer und aus den genannten Gründen bei der ggf. betroffenen Bevölkerung in etwa so beliebt wie ein Endlager für radioaktiven Abfall.
Mit anderen Worten: CCS ist das ideale Instrument, um Klimaschutz noch weiter hinauszuzögern, autoritäre Lösungen unvermeidlich erscheinen zu lassen, die Bevölkerung tiefer zu spalten und den Klimaschutz weiter zu erschweren.
Eine ganz andere Frage ist es hingegen, dass, selbst wenn jetzt endlich energischer Klimaschutz durchgesetzt und die deutschen Emissionen bis 2035, wie von den Schülern gefordert, auf Netto-Null gebracht sind, darüber hinaus noch der Atmosphäre CO2 wieder entzogen werden muss.
Doch das muss mitnichten durch das Einpressen von Flüssig-CO2 erfolgen. Denkbar ist die Entwicklung anderer Optionen, wie das Binden im stark basischen Gestein in vulkanischen Regionen, die Herstellung von Pflanzenkohle für Schwarzerde oder vielleicht auch irgendwann die vermutlich energieintensive Umwandlung von aus der Luft oder den Abgasen von Biokraftwerken extrahiertem CO2 in feste Pellets, die dann im Untergrund eingelagert werden könnten.
Letzteres wird zwar seit einigen Jahren diskutiert und in unterschiedlichen Projekten untersucht, erscheint aber bisher noch nicht besonders sinnvoll, da mit zu großem Energieaufwand verbunden.