Klimakrise: Der Amazonas brennt

Bild: earthobservatory.nasa.gov

Ohne Rücksicht auf Menschen, biologische Vielfalt und das Weltklima wird der Regenwald unter Brasiliens neuem Präsidenten zerstört

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Der Amazonas brennt. Satellitenbilder zeigen riesige Rauchwolken. Schon seit rund zwei Wochen brennen gewaltige Flächen des tropischen Regenwaldes im Amazonasbecken und an den Grenzen zu Paraguay.

Begünstigt werden die Brände von einer Dürre und einer durch durch jahrzehntelangen Raubbau bedingten Schwächung des Waldes. Doch verursacht wurden sie offenbar durch Brandstiftung, durch eine konzertierte Aktion von Rinderzüchtern, die, ermutigt von einem rechtsradikalen, Völkermord gutheißenden Präsidenten, ein Zeichen setzen wollen:

Wir machen weiter bis zum letzten Baum. So wie wir Umweltschützer, Kleinbauern, Landlose und Indigene ermorden lassen, so gehen wir auch gegen die Ressourcen unseres Landes und des ganzen Planeten vor. Rücksichtslos, über alle Maßen gewalttätig und einzig auf unseren Profit bedacht. Kapitalismus zur Kenntlichkeit entstellt.

Millionen Menschen in aller Welt sind außer sich. Die Hashtags #PrayforAmazonia und #ActforAmazonia machen die Runde. Eine besondere Dramatik bekommen die Ereignisse durch die erneute Beschleunigung der Entwaldung nach Jahren des Rückgangs und wissenschaftlicher Warnungen, nach denen sich der Wald auf einen Wendepunkt zubewegt, ab dem es nur noch abwärts geht und eine Erholung auf natürlichem Wege unmöglich wird.

Wechselwirkungen

Danach würde er zur Savanne, die nur noch einen geringen Teil des Wassers und vor allem des Kohlenstoffs binden wird, die zur Zeit noch in den Böden sowie Flora und Fauna des Waldes gespeichert sind. Der sterbende Wald wird zur zusätzlichen Quelle von Treibhausgasen, die das globale Klima weiter erwärmen.

Im Fachblatt Nature erschien 2017 eine Untersuchung über die positive Wechselwirkung zwischen dem Regenwald und dem Zustrom feuchter Luft vom tropischen Atlantik, die weit über das Amazonasbecken hinaus große Teile Südamerikas mit Wasser versorgt. Bis zu 70 Prozent der La-Plata-Region im Süden mit ihrer umfangreichen Landwirtschaft sind zum Beispiel diesem Mechanismus zu verdanken.

Angetrieben wird er durch Verdunstung und pflanzliche Transpiration über dem Regenwald. Bei dieser wird Wärme an die Luft abgegeben, die dadurch aufsteigt und in der winterlichen Regenzeit einen bis auf den Atlantik hinaus wirkenden Sog erzeugt. Die so angeregte Strömung feuchter Luft wird dann von den Anden nach Süden bis nach Paraguay und den Norden Argentiniens abgelenkt.

Irgendwann ist der verbleibende Wald jedoch zu klein und kann diesen Mechanismus nicht mehr anstoßen. Über dem verbleibenden Wald, so die Autoren, würde der Niederschlag nach ihren Berechnungen um bis zu 40 Prozent zurückgehen und dieser weiter austrocknen. Letzteres wird sicherlich weniger ein schleichender Prozess sein, sondern in Form dramatischer Dürren auftreten, wie es sie in diesem noch jungen Jahrhundert bereits zweimal in der Region gegeben hat.

Der Wendepunkt

Wo genau liegt dieser Wendepunkt? Das lässt sich nur abschätzen, da wichtige Parameter, die die Stärke der Wechselwirkung beschreiben, unbekannt sind. Die Autoren haben nur den Wald entlang eines von Ost nach West laufenden und dann nach Süden abbiegenden Korridors simuliert, der in der derzeitigen Hauptluftströmung während des winterlichen Monsuns liegt.

Dabei kamen sie mit vorsichtigen Annahmen zu einem Ergebnis, dass der Mechanismus bei einer Entwaldung von 30 bis 50 Prozent zerbricht. Die gute Nachricht in der schlechten ist dabei, dass das ganze wahrscheinlich umkehrbar ist. Eine Wiederaufforstung könnte, wenn auch mit Verzögerung, die alten, für die Landwirtschaft südlich des Regenwaldes so vorteilhaften klimatischen Verhältnisse wieder herstellen.

Zur Zeit kann jedoch von Wiederaufforstung keine Rede sein. Brasiliens neue Regierung greift die bestehenden Schutzmechanismen für den Wald und seine durchaus zahlreichen Bewohner an, lässt Tausende illegale Goldsucher in das Land der Yanomami eindringen und gibt den Ranchern und Sojafarmern Rückendeckung.

Zudem könnte künftig ein neuer Freihandelsvertrag zwischen der EU und dem Mercosur, dem Brasilien angehört, den Export brasilianischer Agrarprodukte nach Europa erleichtern und den Druck auf den Wald weiter verstärken. Der muss jedoch noch von den Parlamenten ratifiziert werden, in deren Händen somit auch ein wenig das Schicksal des Regenwaldes liegt.