Kohlekommission: Arbeitsplätze? Welche Arbeitsplätze?
Einfach mal ein wenig über Zahlen sprechen - und dann ganz schnell aussteigen
Nach langem Gezerre und Gerangel steht sie nun endlich, die Kohlekommission, die sogenannte Strukturwandelkommission. Sie soll, so hatten es die Berliner Regierungsparteien in ihren Koalitionsvertrag vereinbart, über einen Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohle und dessen ökonomische und soziale Flankierung in den betroffenen Regionen (hauptsächlich das Rheinland und die Lausitz) beraten. Bereits zum Ende des Jahres soll das Gremium seine Beschüsse vorlegen, 2019 werden sie dann in ein Gesetz gegossen.
Der Tagesspiegel nennt das Zustandekommen der Kommission ein Koalitionsdrama, was sicherlich ein wenig übertrieben ist. Zumal die Kohlefans sowohl unter Sozialdemokraten als auch bei Unionspolitikern nicht selten sind. Keine der drei Regierungsparteien hat sich in Sachen Klimaschutz in den letzten Jahren mit Ruhm bekleckert. Zuletzt war es vor einer Woche Innenminister Horst Seehofer gewesen, der auf die Bremse trat und seine Zustimmung verweigerte. Im bayerischen Landtagswahlkampf spiele Klimaschutz eben keine Rolle, urteilte eine Kommentatorin des Deutschlandfunks.
31 Mitglieder soll die Kommission bekommen. Die Oppositionsparteien werden nicht eingebunden. Der Vorsitz wird auf vier Schultern verteilt, und zwar auf jene der beiden Ex-Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Stanislaw Tillich (CDU) und Matthias Platzeck (SPD), und auf die des einstigen Chefs des Kanzleramtes Ronald Pofalla (CDU), der inzwischen durch die Drehtür zur Deutschen Bahn gewechselt ist, dort aber unter Langeweile zu leiden scheint, da man ihn nicht zum Chef machen wollte.
Vierte im Bunde der Kommissionsvorsitzenden wird schließlich die Volkswirtin Barbara Praetorius von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Sie ist nicht nur die einzige Frau im Quartett, sondern auch die einzige, der man ein Interesse an Klimaschutz und Kenntnisse auf dem Gebiet der Umweltökonomie nachsagen kann. Sie wird mit Sicherheit keinen leichten Stand haben, denn ihren Kollegen wird es vermutlich eher darum gehen, dass Ende der Kohlenutzung möglichst weit hinaus zu schieben.
Wie üblich müssen dafür vordergründig in der öffentlichen Diskussion vor allem die Arbeitsplätze herhalten. Um die geht es immer, wenn über Kohle, Atomkraft oder Autos geredet wird, aber selten, wenn es um Windkraft, Fahrradverkehr oder Solarhandwerk geht. Daher hier einfach ein paar Zahlen:
In den deutschen Braunkohletagebauen und angeschlossenen Kraftwerken arbeiteten letztes Jahr 20.891, in den Steinkohlekraftwerken sind schätzungsweise 8.400 Personen beschäftigt. (Die Förderung in den letzten deutschen Steinkohlegruben wird zum Ende des Jahre 2018 eingestellt, weil sich die EU-Staaten darauf geeinigt haben, diese nicht länger zu subventionieren. Dann könnte übrigens eigentlich die Stromsteuer (2,01 Cent pro Kilowattstunde), die die Subventionen bisher finanziert, gesenkt werden, aber davon ist keine Rede.)
Natürlich sind diverse Arbeitsplätze indirekt betroffen, wie allerdings auch in allen anderen Industrien. Für die Braunkohle nennt deren Interessenverband die Zahl 86.000 „direkt, indirekt oder induziert“ mit der Industrie verbundener Arbeitsplätze.
Auf der anderen Seite sind mit der Installation und Wartung von Solaranlagen im Handwerk sowie mit der Herstellung in der stark geschrumpften Industrie 45.000 Fachkräfte betraut. Die Windenergie ernährt mit Entwicklung, Fertigung, Installation und Wartung 160.000 Personen. Und in deutschen Fahrradmanufakturen, -werkstätten und -läden sowie im Fahrradtourismus arbeiten 278.000 Menschen.
Und ansonsten: Natürlich ist es wichtig, dass die Beschäftigten nicht einfach auf die Straße geworfen werden, sondern dass sich um sie gekümmert wird. Aber wenn die Menschen tatsächlich im Mittelpunkt stünden, könnte man ihnen ja auch die Subventionen direkt auszahlen. Der deutsche Steinkohlebergbau wird zum Beispiel in diesem Jahr noch mit 1,09 Milliarden Euro aus Bundes- und Landesmitteln gefördert. Das sind – 2017 waren noch 4517 Menschen dort beschäftigt – rund 240.000 Euro pro Person und Jahr. Das wäre doch eigentlich eine ganz ansehnliche Pension.