Kulturflatrate oder das Luxusproblem des 21. Jahrhunderts
Da ist sie wieder, die Kulturflatrate - und das nicht zufällig mitten im Bundestagswahlkampf. Aber was ist, wenn man einmal kurz nachrechnet?
Das Urheberrecht ist, je nach Perspektive, entweder das “Öl des 21sten Jahrhunderts” oder ein erstweltliches Luxusproblem, das eigentlich nur eine vergleichsweise winzige Nische innerhalb der Gesamtwirtschaft betrifft. Tatsächlich werden ausgedehnte öffentliche Debatten über eine Branche geführt, die in Deutschland zwar mehr umsetzt als etwa die DM-Drogeriemarktkette, aber weniger als Südzucker, C&A oder die BayWa. Um sich einer Lösung des Dauerstreits anzunähern, hat die Bundestagsfraktion der Grünen ein Rechtsgutachten zum umstrittenen Thema Kulturflatrate beim Göttinger Medienrechtsexperten Prof. Gerald Spindler in Auftrag gegeben.
Auch wenn es das ausführliche und ausgewogene Dokument nur in einen Nebensatz des aktuellen Programmentwurfs zur Bundestagswahl geschafft hat, dürfte es doch künftig mit als Diskussionsgrundlage zur Frage nach dem besseren Urheberrecht dienen. Die Forderung einer Vergütung der pauschalen Nutzung via Internet analog zur etablierten und bewährten Geräteabgabe sollte einigermaßen konsensfähig sein. Problematisch wird allerdings die Berechnung der Vergütungshöhe pro Nutzer oder Internetanschluss, weil hier die unterschiedlichen Interessengruppen unterschiedliche Ziele verfolgen. Was zu Ergebnissen von 6,74 € bis 89,89 € pro Monat führt. Eine alternative Beispielrechnung zeigt den Mindestrahmen für eine solche Berechnung:
Die Musik/Tonträgerindustrie macht in Deutschland ca 1,6 Mrd. Euro pro Jahr, der Buchhandel ebenso, auch die Spiele- und die Filmindustrie liegen in diesem Bereich. Das heißt, die Branche “kopierbare Kulturdatenträger” ist in unserem Land jährlich für circa 6 Milliarden Euro gut. Aus dem Musik- wie auch dem Buchsektor wissen wir, dass der Urheber/Autor/Musiker maximal 5 % des Endverkaufspreises bekommt. Also 300 Millionen. Bei 40 Millionen aktuell vorhandenen Internetanschlüssen wären das 7 Euro 50 pro Anschluss. Und pro Jahr. Oder 62,5 Cent monatlich.
Selbst wenn man zu diesem Basispreis (der sich ja aus den tatsächlichen Ausschüttungen aus den Umsätzen der Kulturverwertungsindustrie in Deutschland an Urheber ergibt) noch administrative Kosten addiert (die selbst bei Brick-and-Mortar-Verwertungsgesellschaften nur zwischen 5 und 15 % liegen), bliebe ein so erzielter “Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und denen der Nutzer” deutlich unter einem Euro pro Monat und Internetanschluss – was sich signifikant von allen bekannten Kalkulationen abhebt. Der Unterschied ergibt sich aus der finanziellen Interessensspanne der Verwerterindustrie, von welcher wir allerdings nicht wissen, ob sie das Ende der aktuellen Informationsrevolution erleben wird.
Die arithmetische Beschäftigung mit der Kulturflatrate zeigt uns allerdings, dass wir, solange es wirklich um die Urheber geht, über Beträge diskutieren, die weit unter den Baukosten eines handelsüblichen Kanzleramtes (465 Mio.) liegen, von populären Bahnhofs- oder Flughafenprojekten ganz zu schweigen. Sollte es gelingen, die Urheberrechtsdebatte auf den Boden der beschriebenen Tatsachen (oder Zahlen) zurückzuführen, hat sie eine Chance. Aber auch nur dann.